Zur Kanzlerkandidaten-Kandidatenkür

Es ist schwierig im Nachhinein das Ergebnis der Kanzlerkandidaten-Kandidatenkür der SPD vernünftig ohne Rückschaufehler zu bewerten und deshalb schaue ich auf den Prozeß der Kür, da gibt es für mich genug Fragen.
Mich wundert zunächst, wieso genau dieser Prozeß der Kandidatenkür gewählt wurde. Es gäbe unzählige Verfahren der Kandidatenkür, warum also dieser Weg? Für mich völlig unklar. Und wieso wurde exakt diese Troika ausgerufen? Schaut man nach dem, was zunächst nicht sichtbar ist, stellt sich für mich die Frage nach den Frauen und Männern, die nicht in die veröffentlichte Dreiergruppe gelangt sind, warum lassen die das so geschehen? Denn eines ist doch klar, eine Partei wie die SPD verfügt über mehr als drei Personen, die Kanzlerkandidat werden könnten.
Die SPD hat bei der vergangenen Bundestagswahl mit 23% abgeschnitten und wird zur Zeit um die 28% bewertet. Um einen Regierungswechsel sicher herbeizuführen müssen da noch einige Schippen aufgelegt werden. Was davon schreibt man dem Kanzlerkandidaten zu? Gibt es eine vernünftige Erklärung, die vor der Bundestagswahl den Beitrag des Kandidaten zum Ergebnis vorhersagbar macht? Ich fürchte nicht und von daher ist m.E. diese ganze Personalie überschätzt. Entscheidend sind Programm und Auftreten der Partei als Ganzes, nicht das Auftreten einzelner. Ich erinnere abschließend an Sigmar Gabriels Rede auf dem Parteitag 2009 in Dresden:

Also der, der die Deutungshoheit über die aktuellen gesellschaftlichen Herausforderungen besitzt. Der steht in der Mitte der Gesellschaft. Willy Brandt wusste das. Er wusste, dass man diese Deutungshoheit erobern muss: von links, mit emanzipatorischen Antworten auf die Herausforderungen der Zeit. Er wusste, dass die Menschen Ende der 60er-Jahre die Nase voll hatten von der restaurativen Adenauer-Ära. Deshalb hat er mit seiner sozialdemokratischen Antwort darauf unter der Überschrift „Mehr Demokratie wagen“ die Deutungshoheit Ende der 60er-Jahre und in den 70er-Jahren gewonnen. Er stand mit dieser Deutung fest in der Mitte der Gesellschaft. Er wusste außerdem, dass die Menschen in Deutschland über alle sozialen Schichten hinweg den Kalten Krieg beenden wollten. Sein Satz „Wir wollen ein Volk der guten Nachbarn sein nach innen wie nach außen“ war ein Programmsatz, der alles ausdrückte, wonach sich damals eine große Mehrheit der Deutschen sehnte: nach einer Politik der Entspannung. Er hatte mit beiden Programmsätzen die Deutungshoheit über die Fragen und die Antworten seiner Zeit. Er hatte die Mehrheit unseres Landes hinter sich und stand damit fest in der Mitte der Gesellschaft. Das war nicht selbstverständlich. Es gab enorme Auseinandersetzungen darüber. Aber Willy Brandt und die SPD haben nicht ihre Antworten angepasst, sondern sie haben um die Deutungshoheit in dieser Gesellschaft gekämpft, liebe Genossinnen und Genossen.

Ihre Fragen, die Fragen und Antworten der SPD und die Anfragen und Antworten Willy Brandts, waren emanzipatorisch, aufklärerisch und damit eben links. Wir haben die Menschen zu diesen Positionen mitgenommen, sie überzeugt und dann Schritt für Schritt Mehrheiten gewonnen. Am Ende standen die emanzipatorischen, die aufgeklärten Argumente der Sozialdemokratie in der Mitte der Gesellschaft. Die Mitte war links, weil wir sie verändert haben. Die SPD hat sie erobert, und das müssen wir wieder machen, liebe Genossinnen und Genossen.

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