Von Essigstaub und Lauchmilch

Das Designhotel niXe in Binz auf Rügen beheimatet das gleichnamige Restaurant, dessen Küchenchef der Sternekoch Ralf Haug ist. Leider habe ich die Hotelräumlichkeiten noch nicht betreten, der Blick auf das Haus an der Binzer Strandpromenade ist allerdings vielversprechend. Insbesondere der Neubau zur Gartenseite mit der Holzfassade und den großen Fenstern läßt die hohe Einrichtungsqualität des Hauses erahnen.
Eine hohe Einrichtungsqualität hat auch die Ausstattung des Restaurants, wobei die raffinierte Illumination besonders hervorzuheben ist. Ein größerer Gastraum ist vorhanden, allerdings gibt es auch eine Art Chambre séparée, gewölbeartig, mit großen Steinen umwandet. Hier namen wir Platz und waren etwas über die liebevolle Dekoration überrascht, die nur auf unserem Tisch auslag.

Tischdekoration
Tischdekoration

Mein Vertrauen in gute Köche ist groß und so ließ ich mich auf ein Überraschungsmenue in sieben Gängen ein. Gefragt wurde nach eventuellen Lebensmittelunverträglichkeiten, Speisen die man nicht mag, und welcher Art der Hauptgang sein soll. Getränkemäßig wählte ich die Weinbegleitung, bin da allerdings etwas speziell, da ich ausschließlich Weißweine trinke. Dieser meiner Eigenheit begegnete die Bedienung mit Gelassenheit und Kompetenz. Ihre Diskretion ist ebenfalls hervorzuheben, erschien sie nur dann an unserem Tisch wenn es auch tatsächlich notwendig war.
Bevor ich nun zu den Gängen im einzelnen komme hier die Übersicht:

Amuse-Gueule: Pilzsüppchen mit Pilzbrot
Amuse-Gueule: Buchenrinde mit gratinierter Zimtkartoffel
Erster Gang: Gebratene Jakobsmuschel mit Pilzen, Pilzcreme, Joghurtschaum und Knäckebrot
Zweiter Gang: Rosengarten, Verschiedene Rügener Gemüse mit Essigstaub
Dritter Gang: Lauchmilch mit getrocknetem Schinken
Vierter Gang: Haferriotto mit roh mariniertem Rinderfilet
Fünfter Gang (Hauptgang): Hirschbraten, Rosenkohl, Pilze
Amuse-Gueule: Karottenmousse mit Heuschaum
Sechster Gang: White, irgendwas mit Eis
Siebenter Gang: Bisdamnitzer Biokäse mit Quittensenf auf Microbrot

Auf das Auge zielte die Präsentation des Warte-Brotes, hier Brotkonfekt genannt. Präsentiert in einer Holzschachtel, darauf standen ein geschlossenes metallenes und ein gläsernes Behältnis. Der Gast mußte sich bemühen, dies und das öffnen und an das Begehrte zu gelangen, so wird die Zeit verkürzt.

Brotkasten, geschäumte Butter, schwarzes Salz
Brotkasten, geschäumte Butter, schwarzes Salz

Das dunkle Brot schmeckte mit der geschäumten Butter super und das schwarze Salz war ein echte Hingucker. Die kleinen Brötchen allerdings verlangten dem Gast eine Menge ab. Steinhart und kaum zuschneiden, geschweige denn zu essen schienen die Brötchen Jahre in der Brotschachtel verbracht zu haben. Übrigens ein Manko, daß mir bereits bei meinem ersten Besuch dort auffiel. Oder soll das so sein?
Das erste Amuse-Gueule, ein Pilzsüppchen, wird wie ein Espresso getrunken. Geschmacklich hervorragend und intensiv pilzig ein gelungener Gruß aus der Küche.

Amuse-Gueule: Pilzsüppchen mit Pilzbrot
Amuse-Gueule: Pilzsüppchen mit Pilzbrot

Das Pilzbrot war geschmacklich ebenfalls interessant, für meine grobe Motorik jedoch schwer zu essen. Hauchdünn und zart brach es immer wieder sowohl beim Essen per Hand wie mit Besteck.
Eine besondere Komposition war das zweite Amuse-Gueule. Buchenrinde mit gratinierter Zimtkartoffel ist ein gelungener kulinarischer Hingucker.

Amuse-Gueule: Buchenrinde mit gratinierter Zimtkartoffel
Amuse-Gueule: Buchenrinde mit gratinierter Zimtkartoffel

Der erste Gang, die Jakobsmuschel wurde ebenfalls in erstaunlicher Form präsentiert. Eine mit flachen Steinen gefüllte Holzschachtel, darauf der Teller in Muschelform mit der exquisiten Variation. Der Geschmack ändert sich beim Essen zu einem intensiveren Pilzgenuß, da die Pilzcreme unter Jakobsmuschel und Pilzen drapiert war. Das in der Holzschachtel auf Samt gelagerte Knäckebrot harmonierte bestens dazu. Sehr raffiniert.

Erster Gang: gebratene Jakobsmuschel mit Pilzen, Pilzcreme und Joghurtschaum
Erster Gang: gebratene Jakobsmuschel mit Pilzen, Pilzcreme und Joghurtschaum

Zwar ist Fleisch eher mein Gemüse aber vegetarische Gerichte können mich trotzdem begeistern. Der zweite Gang, Rosengarten genannt, bestand aus verschiedenen gebratenen Rügener Gemüsen, umgeben von einem weißen Teppich aus Essigstaub.

Zweiter Gang: Rosengarten, verschiedene Rügener Gemüse mit Essigstaub
Zweiter Gang: Rosengarten, verschiedene Rügener Gemüse mit Essigstaub

Der zu Staub erstarrte Essig zusammen mit dem Gemüse bot eine überraschende Geschmacksentdeckung. Der begleitenden Wein, leider erinnere ich mich weder an Winzer noch Sorte, gab dem Gemüse einen starken Kontrapunkt durch ein sehr stachelbeeriges Aroma, das mich an eine Scheurebe erinnerte. Dieser Geschmackszusammenhang wird in Erinnerung bleiben.
Ein Süppchen folgte als ditter Gang, ein Lauchsüppchen und getrockener Schinken. Hier ist der Gast wiederum gefordert, wird Suppe und Schinken in verschiedenen Gefäßen serviert. Der Gast hat die Wahl die Suppe dem getrockneten Schinken aufzugießen oder beides separat zu genießen. Klaro, ich habe umgegossen und das Ergebnis war geschmacklich ein weiterer Höhepunkt.

Dritter Gang: Lauchmilch mit getrocknetem Schinken
Dritter Gang: Lauchmilch mit getrocknetem Schinken

Eine Entdeckung war auch der vierte Gang, das Haferrisotto. Es harmonierte großartig mit dem roh marinierten Rinderfilet, das allerdings etwas am Tellerrand klebte, so, als stünde der Teller eine geraume Zeit. Tat aber dem Geschmack keinen Abbruch, nur dem Auge.

Vierter Gang: Haferrisotto mit roh mriniertem Rinderfilet
Vierter Gang: Haferrisotto mit roh mriniertem Rinderfilet

Fleisch als Hauptgang war eine gute Entscheidung, denn der Hirsch war auf den Punkt gebraten, rosa und zart. Die Rosenkohlblätter in ihrer Zartheit ergänzten mit den Pilzen das Fleisch in wunderbarer Weise. Die Sauce, ein Genuß!

Fünfter Gang (Hauptgang): Hirschbraten, Rosenkohl, Pilze
Fünfter Gang (Hauptgang): Hirschbraten, Rosenkohl, Pilze

Der Wein zum Hauptgericht war ebenfalls eine ausgezeichnete Wahl, eine Spätlese, die genug Kraft hatte, dem Wildaroma Kontra zu geben.
Vor dem Dessert gelangte noch ein Gruß aus der Küche auf den Tisch. Die Konsistenz leicht und fluffig war die Karottenmousse mit dem Heuschaum eine ideale Vorbereitung auf das Übernächste.

Amuse-Gueule: Karottenmousse mit Heuschaum
Amuse-Gueule: Karottenmousse mit Heuschaum

Wie das Dessert hieß und was die einzelnen Bestandteile waren habe ich mir leider nicht gemerkt, ich nenne es White, weil es weiß war. Irgend eine Eissorte war dabei. Ziemlich süß das Ganze und meines Erachtens der schwächste Gang des Menues.

Sechster Gang: White, irgendwas mit Eis
Sechster Gang: White, irgendwas mit Eis

Der siebente Gang und damit das Finale bildeten der Bisdamnitzer Biokäse mit Quittensenf auf Microbrot. Eine wirkliche Augenweide, präsentiert auf einem Stein und geschmacklich einwandtfrei. Ein würdiger Abschluß.

Siebenter Gang: Bisdamnitzer Biokäse mit Quittensenf auf Microbrot
Siebenter Gang: Bisdamnitzer Biokäse mit Quittensenf auf Microbrot

Ralf Haugs Küche ist großartig. Ich rate jedem, der Gelegenheit hat sie zu besuchen, sich auf Koch und Küche vollends einzulassen, das Überraschungsmenue und die Weinbegleitung zu wählen. Es lohnt sich, denn der Gast wird zu neuen, unbedingt lohnenswerten Geschmackserlebnissen geführt. Auch Thomas Knüwer hat die Haugsche Küche in einem lesenswerten Blogbeitrag im Jahr 2011 gewürdigt.
Ralf Haug wird die Küche des Restaurant niXe abgeben und im Hotel Vier Jahreszeiten in Binz das Restaurant Freustil ab Mai 2013 eröffnen.
Ich bin gespannt, wie die Küche in der niXe weitergeführt wird und wie sich das Freustil präsentieren wird.