Über die Hufeisentheorie

Zitat Leo Löwenthal:

„Wenn zum Beispiel die Leute sagen, Faschismus und Kommunismus seien dasselbe, dann bestehe ich darauf, daß es eben nicht dasselbe ist. Der Sowjetkommunismus ist die Perversion einer Theorie, eines Moralsystems und eines Denkstils, der gut ist, der wesenhaft gut ist. Dagegen ist der Hitler-Faschismus nur schlecht, schon weil die ihm zugrundeliegende Menschenauffassung als Anthropologie unmenschlich ist. Ein Jude kann nie erlöst werden, während ein Kapitalist sich freiwillig deklassieren kann, er kann sozusagen in eine neue Religion eintreten.“

Aus: Leo Löwenthal – Mitmachen wollte ich nie. Ein biographisches Gespräch mit Helmut Dubiel, Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 1980, Seite 87

Über ein TV-Programm am Neujahr 2020

Ein TV-Sender bringt am Neujahrstag von 10:50 Uhr bis Mitternacht einen Laurel & Hardy Film nach dem anderen. Was bedeutet das? Schlägt die Kulturindustrie zu und überzieht den Zuschauer mit Schein und Ablenkung vom gesellschaftlichen Zwang? Lachen als Zustimmung zum Gegebenen und Negierung des möglich Besseren versucht sie zu erheischen, damit alles bleibt wie es ist? So einfach ist es nicht. Laurel & Hardy Filme sind heute, gerade im Abstand ihrer Erscheinungsjahre, anarchisch und subversiv. Diejenigen, die die Filme in ihrer Kinderzeit gesehen haben erinnern sich. Die alten Slapstickfilme, auch der anderen mit Chaplin und Keaton, reißen die Scheinhaftigkeit dessen auf, was mehltauartig über die Gesellschaft verbreitet werden soll zum Zweck des Stillhaltens. Mehr Filme davon…!

Über ein Telephonat

Die kleine Maus, anderthalb Jahre alt, schnappt sich das Brillenetui ihrer Großtante und beginnt ein Telephongespräch. Wer der Angerufene ist, erschließt sich den Erwachsenen, die zufällig zuhören, nicht. Auch der Inhalt des Gesprächs wird von den Erwachsenen nicht verstanden, kann die kleine Maus noch nicht die Sprache der Erwachsenen sprechen. Andererseits, ihre Worte, ja es sind Worte, verstehen die Erwachsenen nicht. Sprache ist interessant, Gabriel Tarde hätte seine Freude daran…

Über die Dialektik des Trackings

Neulich auf Twitter … Frage horax:

„frage mich was adorno zum unerbittlichen kampf gegen das cookie durch sogenannte (datenschutz)aktivistïnnen sagen würde…“

Antwort Malte Engler:

„Weniger noch kann das fehlbare Bedürfnis nach einer Einwilligung, auch nicht das verzweifelte, der Regulierung des Tracking die Richtung weisen“

Adorno, 2019, Dialektik des Trackings.

Über Menzel auf Papier

Menzel in Öl scheint konservativ zu sein, Menzel auf Papier auch. Das ist nur zum Teil wahr. Sowohl in Öl als auch als Papier sind da Momente des Vorimpressionismus. Der Realismus tritt oft zurück… und die Ausstellung „Maler auf Papier“ ist großartig.

Über Automatisches Schreiben

Veränderung eines Begriffs in der Zeit: Vor hundert Jahren war Automatisches Schreiben die Verschriftlichung von Gefühlen, Emotionen, der emporsteigenden Sedimenten des Unbewußten unter Absehung der Vernunft und ohne Korrektur des Geschriebenen. Heute ist Automatisches Schreiben Textproduktion unter Verwendung maschineller Binärschrift ohne daß die Maschinen das Geschriebene interpretieren können. Was macht das mit den Lebenden?