Über eine Zugfahrt

Während einer Zugfahrt beantwortet sich die Frage „Was ist typisch deutsch?“ von alleine. Typisch deutsch ist, wenn Reisende mit Reservierung ihren reservierten Platz belegen auch wenn der Wagen leer ist und bessere Plätze verfügbar sind….

Über Autofreie Sonntage

1973 gab es Autofreie Sonntage. Die Politik hatte sie beschlossen, da Öl knapp zu werden drohte. Einfach so beschlossen. Was ging damals, das heute nicht mehr geht?

Über das Lesen und das Schreiben

Eine Fraktion sieht in dem Schreiben eine klare Ordnung: Einleitung, Hauptteil, Schluß. Innerhalb des Hauptteils bereitet das Geschriebene vor und führt dann auf den zentralen Gedanken hin. Die andere Fraktion sieht im Schreiben eine Notierung des Gedankenflusses. Die Gedanken werden so wie sie fließen verschriftlicht und stehen gleichberechtigt nebeneinander. Wie ist das beim Lesen? Ist es für das Denken besser ein Buch strikt von Vorne bis Hinten durchzulesen oder ist es besser sich der verwiesenen Literatur anzunehmen, sie zu lesen um sich in einen Gedankenfluß zu begeben, der wie ein Umweg scheint?

Über die Verhärtung der Linken

Linke Politik ist an der Idee der Aufklärung orientiert – Freiheit, Abwesenheit von Leid und Not. Verhärtete Linke, die ein entfremdetes Verhältnis zu den Menschen und sich selbst haben, sind zahlreich in der Öffentlichkeit und in politischen Funktionen vertreten. Ihre Versteinerung artikulieren sie in beispielsweise in einer solchen Forderung: „Abschaffung der 1. Klasse in Regionalzügen“.  Es ist mehr als bestürzend, ja zum Weinen, denn die Forderung muß lauten: „1. Klasse für alle in den Regionalzügen“.

Über den symbolischen Körper

Das 21. Jahrhundert. Demokratie ist die Herrschaftsform in Europa. Die Zahl, das Rechenbare strukturiert zunehmend die Gesellschaft und droht sich selbst zum Mythos zu machen. Da verwundert es nicht wenn die Leerstelle der Macht in der Demokratie in Frage gestellt wird. In Frage gestellt durch die Behauptung der Existenz eines symbolischen Körpers der Kanzlerin. Nicht anders sind die maßlosen Fragen zu ihrem Gesundheitszustand zu deuten. Auch dies ein weiteres Indiz zu einer Etablierung eines zeitgenössischen Mythos.

Über die (politische) Talkshow

Der Begriff besteht aus zwei Teilen: Talk und Show. Reden und Spektakel. Ein Spektakel war die politische Talkshow der Jahrtausendwende – Christiansen. Medial wurde hier die Neoliberalisierung des Landes begleitet. Das ökonomische Prinzip ist spätestens seitdem in jede Pore des gesellschaftlichen Lebens eingesickert. Der Stolz auf den ÖRR speist sich einerseits auf die Idee der Staatsferne, andererseits auf die Idee des Fehlen der Meinungsmacht Einzelner, einer gewissen Kapitalismusferne. Trotzdem wirkte die politische Talkshow toxisch. Wie konnte das geschehen? Und was bedeutet das für bestehende Formate?

Über das Totenglöcklein des Unternehmens

Das Totenglöcklein eines Unternehmens macht sich in der Sprache des Managements bemerkbar. Es sind Satzfragmente wie „…der Markt fordert dies…“ oder „…wir müssen dem Markt folgen…“ die die Sterbephase begleiten. Auf den Markt verweisen, mit ihm schwimmen wollen und nicht eigenen Idee haben und verwirklichen zeigen erste Leichenblässe an.

Über das „zu lang; nicht gelesen“

Das, was kurz sein soll ergießt sich als ungenießbarer Brei vor die Augen des entnervten Publikums: Nutzungsbedingungen, AGBs, Datenschutzerklärungen. Für das Publikum geschrieben wären sie kurz, einfach und klar. Sie sind aber von Juristen für Juristen geschrieben, die sich daran ergötzen, das Publikum liest sie nicht.

In den Sozialen Netzwerken ist Kürze Programm. Die Kürze bedingt teilweise Übles, Gemeines, Dummes.

Was kurz ist in der Literatur wie Miniatur, Fragment, Aphorismus, Essay oder Traktat, zeigt durch die Form besonderen Anspruch. Kleine Formen zu deuten benötigt Kontemplation. Kontemplation ist länglich.

Über die Arbeit in der Werbewirtschaft

Die Arbeit in der Werbewirtschaft kann viele begeistern. „Irgendwas mit Medien“ sind die Schlagwörter. Ein „gutes“ Photo, ein „guter“ Film, ein „guter“ Spruch, das wollen viele kreieren. Warum? Information, Aufklärung der potentiellen Kundïnnen als Zweck? Illusion. Der Zweck verwandelt sich in ein Mittel, es geht darum zum Kaufen zu bewegen. Manche nennen es Manipulation. Es ist ein Vorgaukeln von Notwendigkeiten, die keine sind, was die Rezipientïnnen auch wissen und sich den Praktiken trotzdem ergeben. Die Arbeit auch in der Werbewirtschaft ist Selbsterhalt für die dort Tätigen und damit notwendig. Manchmal kommt der Punkt, da wird der Widerspruch zwischen dem, was sie einmal erreichen wollten und das, was sie tun, zu groß. Was dann? Wie können sie darüber hinausgehen?

Über das Lesen von Verrücktheiten

Warum liest jemand in der heutigen Zeit altgriechische Poesie wie die Ilias und Odyssee? Warum sich mit Hexameterdichtung, Lyrik und Drama aus alter Zeit beschäftigen? Unter dem gesellschaftlich herrschenden Nützlichkeitsaspekt sind das Verrücktheiten. Nützlichkeitsgedanken sickern immer tiefer in das Leben ein. Nonkonformismus hilft dagegen, das Lesen altgriechischer Poesie ist genau das und ein Fitzelchen Freiheit wird zurückgewonnen.