Über die James-Simon-Galerie – Der erste Eindruck

Beim Blick vom Lustgarten auf die James-Simon-Galerie fühlt sich die Betrachterïn klein. Zwei Freitreppen müssen erklommen werden bis zum Eingang. Erinnert das nicht an den Tempel der Hatschepsut – mit seinem langgezogenen Aufstieg und der gewaltigen Säulenarchitektur? Zwar ist die Stirnseite der Galerie und der Eingangsbereich schmal, doch die umliegenden Gebäude samt den zwei Freitreppen überlisten den Blick und lassen das Ensemble mächtiger erscheinen. Im Gebäude macht sich die Ernüchterung breit, das Innere hat den Charme eines Flughafenabfertigungsgebäudes. Und ja – Abfertigung und Kanalisierung der Besucherïnnen ist die Funktion der Galerie, die Form folgt dem nicht. Das ist nicht schlecht, im Gegenteil, der Widerspruch hält zum Nachdenken an, die Museen werden interessanter.

Über die (politische) Talkshow

Der Begriff besteht aus zwei Teilen: Talk und Show. Reden und Spektakel. Ein Spektakel war die politische Talkshow der Jahrtausendwende – Christiansen. Medial wurde hier die Neoliberalisierung des Landes begleitet. Das ökonomische Prinzip ist spätestens seitdem in jede Pore des gesellschaftlichen Lebens eingesickert. Der Stolz auf den ÖRR speist sich einerseits auf die Idee der Staatsferne, andererseits auf die Idee des Fehlen der Meinungsmacht Einzelner, einer gewissen Kapitalismusferne. Trotzdem wirkte die politische Talkshow toxisch. Wie konnte das geschehen? Und was bedeutet das für bestehende Formate?

Über das „zu lang; nicht gelesen“

Das, was kurz sein soll ergießt sich als ungenießbarer Brei vor die Augen des entnervten Publikums: Nutzungsbedingungen, AGBs, Datenschutzerklärungen. Für das Publikum geschrieben wären sie kurz, einfach und klar. Sie sind aber von Juristen für Juristen geschrieben, die sich daran ergötzen, das Publikum liest sie nicht.

In den Sozialen Netzwerken ist Kürze Programm. Die Kürze bedingt teilweise Übles, Gemeines, Dummes.

Was kurz ist in der Literatur wie Miniatur, Fragment, Aphorismus, Essay oder Traktat, zeigt durch die Form besonderen Anspruch. Kleine Formen zu deuten benötigt Kontemplation. Kontemplation ist länglich.

Über die Arbeit in der Werbewirtschaft

Die Arbeit in der Werbewirtschaft kann viele begeistern. „Irgendwas mit Medien“ sind die Schlagwörter. Ein „gutes“ Photo, ein „guter“ Film, ein „guter“ Spruch, das wollen viele kreieren. Warum? Information, Aufklärung der potentiellen Kundïnnen als Zweck? Illusion. Der Zweck verwandelt sich in ein Mittel, es geht darum zum Kaufen zu bewegen. Manche nennen es Manipulation. Es ist ein Vorgaukeln von Notwendigkeiten, die keine sind, was die Rezipientïnnen auch wissen und sich den Praktiken trotzdem ergeben. Die Arbeit auch in der Werbewirtschaft ist Selbsterhalt für die dort Tätigen und damit notwendig. Manchmal kommt der Punkt, da wird der Widerspruch zwischen dem, was sie einmal erreichen wollten und das, was sie tun, zu groß. Was dann? Wie können sie darüber hinausgehen?

Über Personalisierung in der Politik

Sind Personen Gegenstand des politischen Diskurses, so verliert sich der Inhalt. Politik wird unpolitisch, Politik wird scheinhaft. Die Menschen schauen dem zu, teils mit großer Aufmerksamkeit und gewinnen damit Zerstreuung. Eine Verbesserung ihres Lebens gewinnen sie nicht. Zudem ist auf die Inhalte zu achten. Obacht bei den Inhalten. Floskelhafte Anbetung von „Marktwirtschaft“ oder „Leistung“ oder schnappatmiges Verdammen von „Vergesellschaftung“ sind mit Vorsicht zu genießen und strikt zu hinterfragen. Werden sie hinterfragt, wird gähnende Hohlheit sichtbar. Nur Politik, die konsequent in Frage stellt kann darüber hinausgehen.

Über ein neues Device

Ein neues Device ist eingezogen. Geerbt hat es die Anwendungen und das Wissen des alten, das nun seine wohlverdiente Ruhe in der Tiefe und Stille einer Schublade genießt. Einen Namen hat das neue bereits, die Fetischisierung ist am ersten Tag vollständig.

Über das tägliche Bloggen

Für das tägliche Bloggen stehen zwei Inhalte, erstens das Tagebuchbloggen und zweitens das Businessbloggen. Beide Inhalte kennzeichnet zur Periodizität eine weitere gemeinsame Form: sie sind etwas Neues – kleinste Formen: Tägliches Bloggen vermittelt sich durch kurze Posts. Das Tagebuchbloggen, das Aufschreiben dessen, was am Tag war, wird oft als banal bezeichnet. Das ist kleingeistig. Das was heute war, kann in der Rückschau eine gewichtige Bedeutung bekommen. Das Businessbloggen gerät andereseits in der Rückschau zum Banalen wenn die Enge der Sicht der Schreibenden deutlich wird. Kann man sich kleinste Formen als Konzentrat vorstellen, als etwas, das über sich hinausgeht?

Über den Brotberuf

Der Brotberuf existiert in einer unfreien Gesellschaft. Sagt jemand von sich er habe einen Brotberuf und übe daneben etwas anderes aus, seine sich selbst gegebene Berufung, so ist darin ein Hauch von Freiheit. Was ist mit denen, die den Brotberuf nicht kennen? Ist eine Gesellschaft freiheitlich zu nennen, in der es keinen Brotberuf gibt?

Über den Datenmineur

Das Englische hat den Data Miner, das Deutsche hat seinen Datenhuber. Die schweizer Schriftsprache hat den Datenmineur. Das liest sich unauffällig doch der Klang des Wortes beim Lesen ist ungewöhnlich. Ist der Klang gediegen oder gar vornehm, hofratartig? Nur – der Leser wird ihn bei sich selbst hören und erleben. Ist die Lautsprache in der Schweiz nicht völlig anders?

Über Erwachseneninhalte

Das unschuldige, das reine Internet scheint wunderbar in das notwendige einzelwirtschaftliche Kalkül der Plattformanbieter zu passen. Tumblr, einst lebensnah und wenig prüde hat jetzt sogenannte Erwachseneninhalte unter Bann gestellt, bis 16.12.2018 waren sie nach Kennzeichnung erlaubt. Im Hilfecenter beschreibt Tumblr was unter Erwachseneninhalte zu verstehen sei:

Erwachseneninhalte sind in erster Linie Fotos, Videos oder GIFs, die Genitalien von echten Menschen oder entblößte weibliche Brustwarzen zeigen, außerdem auch sämtliche Inhalte – Fotos, Videos, GIFs und Illustrationen -, die Sexualakte zeigen.

Weibliche Brustwarzen – und erst recht ihr Anblick – scheinen gefährlich zu sein und die Sicherheit und Ordnung ganzer Gesellschaften außer Kraft zu setzen und die zwingenden Profitinteressen Tumblrs zu unterminieren. Um dem zu begegnen setzt Tumblr Machine Learning ein um diese höchstgefährlichen Inhalte auszusortieren. Machine Learning macht Fehler. So im Tumblelog „horax sammelt hier“, das auch mit den Posts von diesem Blog aus befüllt wird. Als höchstgefährlich wurden 3 Bilder klassifiziert: Frisches Geflügel in den Auslagen der Metztgerei „Kumpel & Keule“, eine nackte männliche Skulptur aus dem Alten Museum und ein Bild mit einem Burger.
Nach Intervention wurden die Bilder von einem menschlichen Wesen begutachtet und der neuen Richtlinie angemessen befunden.
Immer dieses Foodporn…

Classic-Burger
Classic-Burger