Die auferstandene Lederjacke

Wer kennt sie nicht, die sockenfressenden Ungeheuer, die sich Waschmaschinen nennen. Daß Kleiderschränke ebenso sein können, ihre Beute überraschenderweise ohne großen Kampf wieder hergeben, das ist mir neu. Ich habe in den Tiefen unseres Kleiderschranks eine alte Lederjacke gefunden. Sie stammt aus den achziger Jahren des vorigen Jahrhundert. Die Marke existiert nicht mehr, im Internet findet man auf den einschlägigen Plattformen von Privatpersonen Angebote dieser Marke zum Pfennigpreis. Die Jacke ist ein wenig zerknittert und ihr Geruch ist eine Mahnung. Sie riecht nach altem Tabakrauch – seltsam – ich muß wohl selber mal geraucht haben – die Erinnerung daran ist fast verblaßt. In einer Innentasche befindet sich eine Packung Taschentücher, ebenso herrlich tabakrauchduftend, und eine Einladung zur SPSS-Roadshow in Berlin aus dem Jahr 1999. Geschlagene achtzehn Jahre war diese Jacken vom Kleiderschrank verschluckt. Ich muß allerdings zugestehen, ich hatte sie vollkommen vergessen und auch nicht vermißt. Ich werde sie gleich anziehen, mit ihr zum Discounter des Vertrauens gehen und ihr zeigen, wie sich Kreuzberg seit der Jahrhundert-/-tausendwende verändert hat. Was sie wohl darüber denkt?

Lederjacke
Lederjacke

Unterschiedliche Grade des Nichtstuns

Ziemlich schnell erfolgt nach den üblichen Begrüßungsfloskeln beim wöchentlichen Wochenendanruf die Frage: „Was habt ihr gemacht?“. „Nichts, und selber?“. „Nichts“. Diese „Nichts“ sind jedoch Grade unterschiedlicher Aktivität; ihnen ist ein Gemeinsames inne, nämlich, daß die Wohnung nicht verlassen wird. Mein „Nichts“ ist ein wirkliches Nichtstun, das von den Tätigkeiten Sonntagzeitungen und Buch lesen, von der Couch an den Esstisch und zurück schleppen, sowie einigen kurzen Aktivitäten zum Überleben eingerahmt ist. Dieses wird auch an meinem sonntäglichen Umfang von unter 1800 Schritten deutlich. Das „Nichts“ der Gesprächspartner ist eben kein wirkliches Nichts sondern umfaßt vielfältige Tätigkeiten wie Balkon sommerfest machen, Wohnung saugen, Wäsche waschen und im Keller aufhängen u.v.m. Mein „Nichts“, das ich voller Inbrunst tue läßt mich jedoch im Gespräch unsicher sein, es stellt sich sogar ein wenig Scham ein. Gut, daß die Gesprächspartner dies durch das Telephon nicht bemerken…

GML-Taschenmesser

Ich suche in der Küchenschublade den Entklammerer. Da fällt mir ein kleines schwarzes Etui auf, das ich vorher noch nie gesehen hatte (meine ich). Es enthält ein Taschenmesser mit etwa acht Zentimeter Klingenlänge. Dabei liegt ein kleiner Zettel mit der Aufschrift GML-Taschenmesser sowie EVP 9,40. Ich denke letzteres meint Ostmark, denn ich gebe in die Suchmaschine des Vertrauens „GML“ ein und erhalte als Ergebnis „Genossenschaft der Messerschmiede Leegebruch“. Auf der Seite des Geschichtsvereins Leegebruch finden sich mehr Informationen darüber.

Auch die Holde kann sich nicht erklären wie das Messer dorthin kommt. Wir sind beide verwirrt.

GML-Taschenmesser
GML-Taschenmesser

Über die Cocktailstunde

Bestimmt gibt es ernsthafte kulturhistorische Betrachtungen der Cocktailstunde. Mir selbst ist die Beschreibung der Cocktailstunde eher aus der Literatur, genauer gesagt aus der Krimiliteratur bekannt. Ich denke an Agatha Christie und Hercule Poirot. Meist treffen sich Menschen zu einer mehr oder weniger festgelegten Uhrzeit,  meist bevor es das Dinner beginnt und der weitere Abend in unterschiedlicher Form verbracht wird. Sie nehmen ein paar Cocktails und unterhalten sich.

Cocktailstunde
Cocktailstunde

Die Cocktailstunde erlebe ich selber meist im Urlaub, einmal die Woche aber auch in der Gastronomie in der Nachbarschaft. Zur Cocktailstunde nehme ich grundsätzlich zwei Runden, bestehend aus einem Bier für den Durst und einem Cocktail für den Geschmack. Entgegen der Üblichkeit verbringe ich die Cocktailstunde allein, ohne Gespräch mit anwesenden Personen. Ich lese Zeitungen, die ich nicht abonniert habe oder bringe ein Buch mit.

Cocktailstunde
Cocktailstunde

Bei Letzterem findet also ein Gepräch mit dem Autor statt oder ein Gespräch zwischen mir und mir selbst über das Gelesene.

Cocktailstunde
Cocktailstunde

Die meiste Zeit jedoch ist die Cocktailstunde reine Kontemplation, völlig aufmerksamkeitslos, mit frei flottierenden Gendanken.

Cocktailstunde
Cocktailstunde

T-Shirt in Slim Fit

Hemden in Slim Fit sind mir ein Graus, wie ich hier beschrieb. T-Shirts in diesem Format trage ich ebenso ungern. Habe ich trotzdem eines in Slim-Fit an ertappe ich mich bei dem (leicht schuldbewußten) Gedanken, daß mein Körper zu voluminös für dieses Kleidungsstück sei. Warum denke ich so? Ist das eine Art Selbstbestrafung? Dabei ist es das Ding, das T-Shirt, das ein inadäquates Format hat. Seltsam, oder?

Printsonntag

Heute ist Sonntag und neben mir auf der Couch stapeln sich diverse Zeitungen in einem Umfang, der mich trefflich eine Weile beschäftigt hält. Die Sonntagszeitung des Vertrauens, die Sonntagsausgabe der Tageszeitung des Vertrauens, zwei Wochenzeitungen, sowie noch Teile der Freitags-, Sonnabends- bzw. Wochenendausgabe zweier weiterer Tageszeitungen. Von Letzteren allerdings nur die Feuilleton-, Gesellschafts- und Stilteile. Feuilleton sowie Gesellschaft und Stil sind Rubriken, deren Inhalt ich weniger als Rauschen empfinde als Nachrichten in den Politik- und Wirtschaftsteilen. Und die relevanten Angelegenheiten aus Politik oder Wirtschaft werden (zumindest seit Schirrmacher) im Feuilleton diskutiert. Heute frage ich mich ob dieser Zeitungs-Lese-Umpfang eine eine Art Eskapismus darstellt, denn auch andere Angelegenheiten verlangen eigentlich meine Aufmerksamkeit, denen ich mich so bequem entziehen kann.

Sonnabendnachmittagsnack

Bei Geflügel bin ich wählerisch nachdem ich mich an einem frischen Hähnchen vergiftete. Ente und Gans esse ich, Pute und Hähnchen vermeide ich. Für den Wochenendeinkauf hole ich alles Notwendige und aus einer Laune heraus zusätzlich ein Taubenbrüstchen als Nachmittagsnack. Taubenbrüstchen hatte ich mal als Strohwitwer in einem „keep-it-simple-Dinner“ verhandelt aber wieder vergessen gehabt bis ich den Tag „Taubenbrüstchen“ eingebe. Da überrasche ich mich selber, na denn…

Taubenbrust
Taubenbrust

Freitag ist Würsteltag (5)

Bratwürste verkoste ich beim Metzger direkt. Der Metzger kennt sein Produkt, weiß um Bestandteile und Konsistenz und kann so mit Intensität und Dauer des Bratvorgangs das geschmacklich Beste herausholen. Die Black Angus Bratwurst ist ein Angebot der Metzgerei aus der Lebensmittelabteilung des Vertrauens in der Stadt – und sie hat leider keine Grillstelle. Also muß ich selber ran. Der Darm der Bratwurst fühlt sich fest an, sie ist eher locker gestopft. Ich versuche es mit mittlerer Hitze, da ich die Befürchtung habe, daß zu große Hitze die Wurst platzen lassen wird. Dazu röste ich gegen Ende des Bratvorgangs einige Scheiben Ciabatta natur neben der Wurst in der Pfanne an.
Die Wurst hat den charakteristischen Black-Angus-Beef-Geschmack, sie ist gut aber nicht aufdringlich gewürzt und der frische Ingwer tritt klar aber zum Brät hamonierend, hervor. Eine sehr gute Wurst. Dazu nehme ich ein gut gekühltes American Pale Ale, das mit seinen klar definierten Hopfen das Geschmackserlebnis erweitert.

Black Angus Bratwurst
Black Angus Bratwurst

Senf ist zu dieser Bratwurst völli überflüssig.

Piratenente

Die Kurzreise nach Hamburg bringt aus dem Hotel des Vertrauens eine neue Mitbewohnerin nach Kreuzberg – eine Piratenente. Sie fühlt sich sofort zwischen den hier lebenden Artgenossen wohl. Da sind eine Kapitänsente, eine Seefahrerente, eine Taucherente, eine Conciergeente und noch einige mehr. Allerdings sind diese gegenüber der neuen Mitbewohnerin etwas zurückhaltend, sind sie doch von den hochgezogenen Augenbrauen und der Axt irritiert. Da die Piratenente mich entzückt, folgt ein Photo auf dem Fuße samt algorithmischer Bildverbesserung mit Perfectly Clear, etwas algorithmischem Blurring mit Tadaa SLR und etwas Lux und Helligkeit mit Instagram. Auch Artwork ist selbstverständlich willkommen und Prisma bietet dafür mit dem algorithmischen Filter, benannt nach dem großen indischen Künstler Thota Vaikuntam, den richtigen satten Gelbausdruck.

Piratenente
Piratenente

Und wieder die Kaffeemaschine

Zu Kaffeemaschinen und Filtertüten scheine ich ein spezielles Verhältnis zu haben:

Ich stehe auf, hole die Sonntagszeitungen herein und schalte die Kaffeemaschine an. Ich setze mich an den Tisch und sortiere die Sonntagszeitung des Vertrauens wie üblich – oben den Reiseteil, dann Politik, Wirtschaft, Finanzen, Wissenschaft, Wohnen, Leben und ganz nach unten das Feuilleton. Die Kaffeemaschine macht heute sehr seltsame Geräusche, scheint sehr kurzatmig zu sein, läßt ein ungewöhnliches Gurgeln vernehmen. Nach Verarbeiten der Hälfte des Wassertanks schaltet sie sich aus. Die Kaffeemaschine macht schlapp – am Sonntag! Nach einer Weile starte ich sie erneut, das Ergebnis ist wie zuvor. Die Holde kommt hinzu und ich teile ihr zerknirscht den Ausfall des Geräts mit. Sie schaut sich kurz um und macht deutlich, daß die Kaffeemaschine nach der Reinigung am Vortag nicht wieder vollständig zusammengebaut ist, das obere Teil des Einwegventils fehle!

Beim Aufsetzen der Kaffeemaschine übersah ich das Fehlen des oberen Ventilteils völlig. Meine Aufmerksamkeit war auf ganz und gar auf andere Dinge, nämlich die Überschriften auf den Titelseiten der Sonntagszeitungen, gerichtet. Kein Wunder…