Der Fliegende

Das Städtchen war klein, besaß zwar kein Kaufhaus dafür aber zwei Radio- und Fernsehfachgeschäfte, die, man könnte fast meinen die Nähe zueinander suchten, auf der gleichen Straße und Seite, nicht weit voneinander entfernt, lagen. Über den Tag verteilt füllten sich die Läden, wellenartig am Vormittag wenn die Schule aus war und kontinuierlich am Nachmittag und frühen Abend wenn die ersten Berufstätigen Feierabend machten. Das Hauptinteresse der Besucher galt überwiegend nicht den verschiedenen Apparaten sondern den Schallplatten, die dort auch zum Verkauf standen. Die Schallplatten waren in viele Kategorien eingeteilt und in unterschiedlichster Reihung angeordnet. So zum Beispiel nach aktueller Popularität, das heißt nach der Häufigkeit in der die Musik im Radio gespielt wurde oder nach den Verkaufszahlen der Schallplatten. Andere Einteilungen wie beispielsweise nach Musikarten, Stilrichtungen und Unter-Unterkategorien waren an der Tagesordnung. Aber die einfachste und entspannteste Ordnung war diejenige nach dem Alphabet. Der Musikfreund konnte sich in den Läden auch einzelne Musikstücke und Platten anhören. Dazu standen an Tresen Plattenspieler bereit und in den Tresen waren pro Plattenspieler zwei Hörer versenkt, die aus einer Vertiefung herauszuholen und mit einem Kabel am Plattenspieler verbunden waren. So konnten sich jeweils zwei Menschen das gleiche Lied anhören. Die Hörer waren lustig anzusehen, schwarz wie Telephonhörer aber ohne Sprechmuschel. Fortgeschrittene Musikfreunde hielten sich ein Hörer an das linke und den anderen an das rechte Ohr. Wollte der Interessent in eine Platte hinhören so mußte er sich an einen der Verkäufer wenden. Die Verkäufer, meist selbst noch sehr jung, stellten gegenüber den jüngeren oder gleichaltrigen Interessenten eine gewisse Überlegenheit und Blasiertheit zur Schau als ob sie sich mit den Musikkünstlern gemein machen wollten in dem Sinne, als ob durch sie der Künstler spricht.

Einer der Verkäufer paßte nicht in dieses Schema. Ein hochgewachsener schlacksiger junger Mann mit blonder Lockenfrisur bis auf die Schultern und einem Ohrring im linken Ohr. Er trug eine Brille mit Metallgestell und so geformten Linsen, daß seine Augen demjenigen, der ihn ansah, eher Knöpfen glichen. Er war zu jedermann freundlich und hatte auch für die jungen Leute, die nur gelegentlich eine Schallplatte kauften weil sie wenig Taschengeld bekamen, ein freundliches Wort und er spielte ihnen die Musik vor obwohl er genau wußte, daß sie die Schallplatten nicht kaufen werden. In seiner Freizeit beschäftigte sich der freundliche junge Mann mit den Lehren von Maharishi Mahesh Yogi. Er sprach offen darüber versuchte aber nicht andere zu missionieren.

Nur eines sah man von ihm nie obwohl er behauptete, er sei dazu in der Lage, nämlich daß er fliegen könne.

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