
Schlagwort: Würstel
Über Schaschlik
Freitag ist Würsteltag (8)
Menschen, die auf der materiellen Sonnenseite des Lebens stehen, gestärkt von Pfauenbraten und marinierten Kolibrizungen, wünschen sich etwas „Einfaches“. Der Verzehr „einfacher“ Mahlzeiten vermittelt ihnen den Schein sich im Grunde in der gesellschaftlichen Lage zu befinden wie diejenigen, denen der gesellschaftliche Zwang Pfauenbraten und marinierte Kolibrizungen versagt.
Die hochpreisige Gastronomie- und Beherbergungsindustrie reagiert darauf und erweitert ihr Angebot auf Speisen und Getränke, die als einfach bezeichnet werden. Was könnte wohl dazu gehören? Bier und Currywurst sind naheliegend. Einfach jedoch macht es die Industrie den auf der materiellen Sonnenseite des Lebens stehenden nicht, sondern modelt Speise und Getränk so, daß ein hoher Preis verlangt werden kann. Ein Beispiel:
Eine einfache Currywurst samt Sauce, serviert auf einer aus Porzellan nachempfundenen Pappe und ohne besondere Geschmacksnuancen wird mit Blattgold aufgewertet. Dazu harmoniert in der Tat ein eisgebrautes Weizenbier, dessen besondere Milde der Currywurst keinerlei Gewalt antut, sondern ihre Geschmacklosigkeit dezent von der Zunge spült. Am nächsten Tag nach dem Blattgold suchen zu wollen ist sinnlos, es ist verdaut. Auch auf der materiellen Sonnenseite des Lebens ist es nicht immer leicht…

Freitag ist Würsteltag (7)
Wer Südafrika besucht und eine gute Bratwurst zu schätzen weiß wird an der Boerewors nicht vorbeikommen. Rind, Schwein sowie afrikanisches Wildfleisch wie Antilope oder Zebra sind die fleischlichen Zutaten. Und wie sieht das für unsere Breiten aus? Eine Boerewors in Berlin zu genießen ist natürlich möglich und wenn regionale fleischliche Zutaten verwendet werden, hochwillkommen. Die Berliner Boerewors enthält ebenfalls Rind und Schwein, sowie Reh und Hirsch als Wildzugabe. Üblicherweise zu einer großen Schnecke gerollt, knotet die freundliche Bedienung zwei Bratwürste ab. 10 Minuten benötigen sie auf dem Fleischereigrill. Kräftig gewürzt mit Koriander, Muskatnuss ist der Geschmack etwas Besonderes. Wohlausgewogen harmoniert dazu ein Stout – nicht nur als Rotweinsubstitut zum Wild – sondern darüber hinaus als besonderes Getränk mit eigenem Charakter.

Orcabrau und der Tap Takeover
Felix ist mit Bieren seiner Brauerei Orcabrau in da House und übernimmt vier Hähne für das Wochenende bei Heidenpeters. Schon nachmittags ist die Bar sehr gut besucht, die Wiedersehensfreude auf allen Seiten groß. Und endlich, endlich können wir seine Köstlichkeiten direkt vom Hahn verkosten, Nürnberg ist eben doch ein wenig weiter weg. Felix bietet folgende Biere an:
1. „Brokantie“ Sour Saison 5,2% – mit Sauermalz gesäuert, klassisch mit Herkules, Perle und Saphir gehopft
2. „Brokantie“ sour saison rosmarin/orange 5,5% – mit Sauermalz gesäuert und vor Kochende mit Orangenschalen, Orangensaft und Rosmarin verfeinert
3. „Kirschenwäldchen“ gose style 5,1% – mit Salz, Koriander und mit Sauermalz natürlich gesäuert, gelagert auf Kirschbaumchips
4. „anders!“ Double Pale Ale dry hopped w/ Citra & Mosaic 6,8% – viel Hopfen, wenig Malzsüße, leicht zu trinken
Da Würsteltag ist rät Felix zur Bratwurst das „Brotkanie“ mit Rosmarin und Orange, das sich als ausgezeichnet Wahl herausstellt. Rosmarin und Orange sowie die erfrischende Säure kitzeln aus der Bratwurst die gesamte Köstlichkeit heraus und ergeben so einen hervorragenden Start.

Meine Favoriten sind das „Brokantie“ Sour Saison 5,2% und das „anders“. Das „Brokantie“ mit seiner erfrischenden aber nicht übermäßigen Säure ist ein tolles Bier für die heißen Tage. Das „anders“ überrascht mit einem weißbierhefigen Abgang. Gut zu trinken auch und gerade bei Durst. Nur mit 6,8% ist Vorsicht geboten. Die Biere von Orcabrau lassen den besonderen Stil von Felix Brauweise erkennen. Der ist nämlich eine vorsichte, fast defensive Karbonisierung. (Das galt schon für sein, vor zwei oder drei Jahren privat gebrautes und bereits legendäres auf Bacon gelagertes Ale). Dementsprechend ist der Kohlensäuregehalt gering, ich finde das spannend, kann man die Biere doch anders – intensiver – „schmecken“ und mit ihnen im Mund spielen als bei hohem Kohlensäuregehalt. Orcabraus erstes Tab Takeover in Berlin ist begeisternd.
Freitag ist Würsteltag (6)
Ich stehe vor der gläsernen Metzgerei und schaue den Kollegen beim Wursten zu. Und ich habe Glück, sie kreieren eine neue Bratwurst. Eine Bratwurst, halb mit Rind- und Schweinefleisch, dazu Frühlingszwiebeln und die Fleischmasse wird Brlo Porter aromatisiert. Diese Wurst ist ein Versprechen aber sie bereitet auch Kopfzerbrechen – welches Bier begleitet hervorragend wenn kein Porter zur Hand ist?
„On Tap“ sind sechs Biere, von denen ich zwei sofort exkludiere. Die Thirsty Lady und das Gastbier, ein Sauerbier, werden dem eigensinnigen Aroma der Wurst nicht gerecht werden. Das heutige Mosaic Session IPA ist sehr floral, der Grund des Fasses ist erreicht, das „Dicke“ wird ausgeschenkt. Es zeigt sich zaghaft und wird den Geschmack nicht unterstützen wollen. Das IPA, mein Freund Mäx nennt es das Holunderblütenbier, ist blumig aber mit schönen Blumen ist der Rauheit der Wurst nicht beizukommen. Das New England IPA hat stramme 7% ist aber fragil zur Dominanz der Wurst. Allein das American IPA mit einer ungestümen Hartnäckigkeit ist einereits in der Lage dem Aroma der Wurst Paroli bieten zu können und andererseits unkonventionell genug eben dieses Aroma zurückhaltend aber vortrefflich zu unterstützen.

Freitag ist Würsteltag (4)
Wie wird eine fränkische Schweinsbratwurst zur Delikatesse? Einfache Antwort – mit gutem Fleisch und interessanter Gewürzmischung, die von kreativen Metzgern verarbeitet werden. So wird eine fränkische Bratwurst vom hällischen Landschwein mit Ingwer, Macis und Rohrzucker kreiert. Voller Geschmack – da muß ein gutes Bier gegenhalten können. Das Belgian Winter, ein Saison mit Zimt, Sternanis und Nelke kann das in unnachahmlicher Art und Weise. Wurst und Bier spielen auf den gesamten Klaviatur der Geschmackspapillen.

Senf ist bei dieser Wurst völlig überflüssig.
Freitag ist Würsteltag (3)
Zweimal hintereinander über eine Wildschweinbratwurst zu schreiben ist vielleicht ungewöhnlich aber dringend geboten. Geboten gerade auch in Kombination mit dem begleitenden Bier. Der Post bleibt jedoch kurz und unter 120 Worten, denn Worte können die Emergenz dieser Kombination nicht beschreiben. Die Wurst ist mit Blauschimmelkäse, Birne und Honig gefüllt. Sie hat einen feinen fast weichen Geschmack. Als begleitendes Bier ist ein Stout genau die richtige Wahl. Der Taoismus denkt das Vollkommene als leer und weich. Diese Kombination von Wurst und Bier versetzt den Essenden in einen Zustand der Glückseligkeit der sich tranceartig leer und weich anfühlt – die Geschmackspapillen erleben das Vollkommene.

Vollkommene Harmonie.
Senf erübrigt sich bei dieser Bratwurst.
Freitag ist Würsteltag (2)
Der Herbst ist Wildsaison, darauf hat sich die Gastronomie verständigt und bietet vielerorts Wildwochen an. Bret vom Wildschwein wird verwurstet und eine Wildschweinbratwurst kann ein kulinarischer Leckerbissen sein. Mehr als gelungen ist die Wildschweinbratwurst mit Orange, Limette und Kakao. Nach dem ersten Bissen offenbart sich ein wohlausgewogener Geschmack, erschlägt doch eine Zutat nicht die anderen, sodaß auch der Kakao fein aber bestimmt sein Aroma entfaltet.

An Bieren zu der Wurst kann man jedes Pils oder Weißbier ausschließen aber auch ein Pale Ale wäre deplaziert. Dunklere Biere scheinen besser geeignet zu sein. Das Coffee IPA verträgt sich blendend mit der Orange und dem Kakao, ist das Kaffeearoma doch fein abgestimmt, nicht dominant zum Geschmack der Wurst sondern es bildet sich eine schlüssige Emergenz beider Komponenten.
Übrigens – Senf ist hier völlig überflüssig, er würde den Geschmack der Wurst nur unnötig diskreditieren.
Freitag ist Würsteltag (1)
Für den Autor, seit vielen Jahren in Kreuzberg beheimatet, ziemt es sich diese Reihe im ersten Beitrag mit Kreuzberger Herstellern und Produkten beginnen zu lassen, zumal die vorgestellten Bratwürste auch noch „Kreuzberger“ heißen. Die Kreuzberger erinnern in der Länge den Nürnberger Rostbratwürsten, sind jedoch etwas rundlicher. Sie treten dem Interessenten filigraner gegenüber, besitzt die Konsistenz der Wurst nicht die Körnigkeit der Nürnberger. Das wird an dem Drittelanteil fein zerkleinertem Kalbfleisch liegen.

Welches Bier paßt zu einer Wurst, deren Geschmack dem Hungrigen unbekannt ist und der sich aufgrund der vorliegenden Informationen schlecht abschätzen läßt? Im Zweifel wird ein Pale Ale passen, das mit leichter bis mittlerer Bitterkeit und seiner ihm eigenen Blumigkeit an Holunderblüten erinnert. Und in der Tat, der Geschmack der Kreuzberger ist deutlich feiner, fast heiter und zart zu nennen, als der Geschmack der Nürnberger mit ihrer intensiven Majoranigkeit, sodaß sie mit dem Aromen der Hopfen des Pale Ales ein harmonisches und rundes Geschmackserlebnis bieten.