2022

Elf Monate ohne die Zwänge der Tretmühle, ohne Arbeitsleid, tun mir als Rentner gut. Wie wohl das Jahr 2023 werden wird?

topnine 2022

Über ein Sich-Selbst-Verlieren

Ziemlich ungewöhnlich ist es schon: die LTE-Schnittstelle des iPhones hat sich selbst verloren. Wird es angeschaltet oder der Flugmodus deaktiviert kann die LTE-Schnittstelle kein Netzwerk konnektieren. Vier Balken und das LTE Symbol zeigen trotzdem vollen Kontakt. Wird 3G eingestellt und dann auf LTE umgestellt ist der Kontakt da. Desgleich passiert wenn die Wlan-Schnittstelle deaktiviert wird. Also nur wenn zuvor ein anderer Modus aktiv war findet LTE sein Netzwerk.
An dieses Eigenleben des Devices gilt es sich anzupassen.

Über Speichelsteine

Yottanisch wächst die Tarantel in dem gleichnamigen Scince-Fiction-Spielfilm von Jack Arnold aus dem Jahr 1955 nach Injektion eines Wachstumsserums. Bei Menschen injiziert führt das Serum zu Deformationen der Extremitäten und des Kopfes.

Yoktonisch ist ein Speichelstein der Ohrspeicheldrüse, der zu ähnlich aussehender Deformation, wie im Film, in der betroffenen Gesichtshälfte führt. Dabei geht der Speichelstein behutsam vor: er schmerzt nicht, er ist nicht zu fühlen, er lässt die Gesichtspartie ohne Vorwarnung unvermittelt in rasender Geschwindigkeit anschwellen. Er sorgt für Erschrecken und Ratlosigkeit bei den Betroffenen, die nicht vergehen sobald das Gesicht zügig abgeschwollen ist. Was war das? Was habe ich getan, fragt der Mensch. Der Stein bleibt weiterhin stumm und lässt sich mit der Spucke und was sonst noch so im Mund ist in die tieferen Stockwerke des Körpers spülen.

2021

Wie 2020 ist auch 2021 ikonographisch ein Jahr ohne Wurst & Bier, dafür mit einem ordentlichen Überschuß Narzissmus. Wie wohl das Jahr 2022 werden wird?

topnine 2021
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Über 10:36 Uhr

Tragikomisch mutet die Genauigkeit des Termins in zwei Monaten beim Bürgeramt an: 10:36 Uhr. Nicht 10:30 Uhr oder 10:35 Uhr oder 10:40 Uhr – nein 10.36 Uhr. Das verschlägt den Atem. Was will diese Genauigkeit ausdrücken, die sowieso nicht eingehalten wird? Ist der Ausdruck des Selbstverständnisses einer Verwaltung? Ist es nur eine Markierung ohne weitere Aussage? Wann ist der nachfolgende Termin anberaumt: 10:46 Uhr? Ist es ein Spiegel der theoretischen Arbeitszeit einer Mitarbeiterin, die am Tag sieben Stunden und einundzwanzig Minuten arbeiten muß?

Was wird wohl die Antwort darauf sein?

Über die Mikrowelle

Sie ist ein Ärgerniss, die Mikrowelle: sie funktioniert. Über zwanzig Jahre alt – die Farbe hat sich verändert, die Technik mit Drehknopf und einem Zeitdisplay ist alt – funktioniert sie noch wie am ersten Tag. Schön wäre doch eine Mikrowelle, inklusive Grill vielleicht, mit allem technischen Firlefanz wie Tastaturen, Programme, viel Blinkendem und Internet. Aber nein, die alte Mikrowelle macht brav seinen Dienst. Damit sagt sie etwas und sie wird verstanden.

Über den ungenutzten Einkaufszettel

Prophylaktisch schreibe ich Einkaufszettel und zwar auf anlogem Papier, nicht in Binärschrift. Die Einkaufszettel sind kleine Zettel, in post-it-Größe, zurechtgeschnitten aus größeren, auch benutzten Papierformaten. Den Inhalt der Einkaufszettel besprechen die Holde und ich genau. Der Inhalt bezieht sich auf die Lebensmitteleinkäufe einer Woche. Nach einem Einkauf wird der Zettel geprüft und das Erworbene durchgestrichen.

Nach dem heutigen Wochenendeinkauf stellte ich fest dass Zwiebeln fehlten. Ich hatte den Einkaufszettel während des Einkaufs mit dabei aber nicht gelesen. Die Holde bemerkte dazu, daß ich mich wohl so großartig fühle alles im Kopf zu behalten und es nicht nötig hätte auf den Zettel zu schauen. Das ist so nicht ganz richtig, ich hatte einfach vergessen auf den Zettel zu schauen. Haarkötter hat recht: Notizen sind dazu da, die verschriftlichten Gedanken zu vergessen um Platz für neue zu machen. Die Zwiebeln waren auf dem Einkaufszettel und nicht in meinem Kopf. Ich muß üben während des Einkaufs auf den Zettel zu schauen…

Über einen Sonntagspaziergang

Mai – endlich! 7:45 Uhr ist ein guter Zeitpunkt für einen Sonntagspaziergang. Die Luft ist mild, eine Jacke braucht es trotzdem. Der Nachbarschaftspark schlummert noch still im Schatten der Wolken vor sich hin. Der Besselpark ruht ebenfalls noch für sich. Wind frischt auf in der Charlottenstraße, sie ist wie ein Kaminzug in Richtung Mitte. Der Gendarmenmarkt ist menschenleer, der Covidtestpoint im Erdinger öffnete um sieben Uhr. Vor der Neuen Wache liegen drei eRoller verloren auf dem Trottoir. Im Lustgarten sind die Wasserspiele abgestellt, seit Tagen übrigens schon, warum eigentlich? Ist es Verlorenheit oder zufriedenen Ruhe, die man fühlt wenn man sich ganz alleine auf dem Platz befindet? Schnell ein paar Selfies auf der Museumsinsel machen. Der Fitnessparcour an der Märchenhütte ist wieder gut besucht, heute morgen ist es aber eher leise hier, was fehlt ist die Musik. Auf dem Hegelplatz die Hegelstatue fotografieren und den Prisma Tagesfilter drüberlegen – Stars. Sternenhaft ist er nicht und die wohlige Stimmung gibt er auch nicht wieder, egal. Kurze Sitzung auf der Bank um danach in Richtung Süden auf den Rückweg zu schwenken. Am Checkpoint Charlie erneutein Selfie, einmal sich wie ein Tourist im eigenen Kiez fühlen. Auch am Checkpoint ist nichts los. Um diese Zeit sind nur Hundebesitzer und verlorene Spaziergänger unterwegs. 16 Grad, mit Jacke ist es zu warm. Das erste mal in diesem Jahr ohne Jacke auf der Straße unterwegs. Um 10:05 wieder daheim. Endlich ist der Mai wie erwartet.

Über das manuelle Uhrenumstellen

Kurioserweise gibt es in diesem Haushalt immer noch zwei Uhren ohne Funkmodul. Ein Siemenshandapparat fürs Festnetz, dessen Basisstation am Router angeschlossen ist, wird nicht über irgendeine Systemzeit umgestellt, sondern muß manuell eingestellt werden. Die Uhr der noch betagteren Mikrowelle (die Mikrowelle denkt gar nicht daran kaputt zugehen, sodaß sie durch eine moderne ersetzt werden kann) bedarf ebenfalls der Umstellung per Hand.

Die neue Funkuhr im Schlafzimmer verweigert sich wie ihre Vorgängerin beharrlich der Umstellung. Dies liegt an der Exposition des Schlafzimmers, das durch die Signalquelle in Frankfurt am Main nicht zufriedenstellend erreicht wird. Die manuelle Einstellung der Zeit ist nicht benutzerfreundlich, zudem hat sich die Gebrauchsanweisung irgendwo versteckt. Die Uhr wird also mit zwei Batterien transportfähig gemacht und in das Wohnzimmer verbracht, das eine günstige Exposition zur Signalquelle hat. Einige Minuten später ist die Uhr auf die Sommerzeit umgestellt und wird an ihren gewohnten Ort zurückgebracht, das Netzkabel angeschlossen und die Batterien entfernt. Fertig.