Über die Dialektik des Trackings

Neulich auf Twitter … Frage horax:

„frage mich was adorno zum unerbittlichen kampf gegen das cookie durch sogenannte (datenschutz)aktivistïnnen sagen würde…“

Antwort Malte Engler:

„Weniger noch kann das fehlbare Bedürfnis nach einer Einwilligung, auch nicht das verzweifelte, der Regulierung des Tracking die Richtung weisen“

Adorno, 2019, Dialektik des Trackings.

Über Arbeitgeber – Arbeitnehmerasymmetrien

Der EuGH stellt fest, dass die Relation Arbeitgeberïn – Arbeitnehmerïn asymmetrisch ist. Diese asymmetrische Relation ist wahr und im Kapitalismus unabänderlich. Das ist wahrhaftig nichts Neues. Der EuGH leitet daraus besonderen Arbeitnehmerïnnenschutz ab.

Das BAG stellte fest, eine Einwilligung der Arbeitnehmerïn in die Datenverarbeitung durch die Arbeitgeberïn sei möglich, trotz einer auch von ihm konstatierten asymmetrischen Relation. Das ist falsch. Die Relation Arbeitgeberïn – Arbeitnehmerïn ist doppelt gefährlich denn die Asymmetrie der Relation Organisation – Person, die die Informationelle Selbstbestimmung gefährdet, muß als weitere Asymmetrie hinzu gedacht werden. Sie kann nicht einfach additiv hinzu gedacht und mit einer Einwilligung abgebaut werden sondern ist durch die erste Asymmetrie vermittelt. Diese Relation zu egalisieren kann nicht der Arbeitnehmerïn überlassen werden sondern ist eine kollektive Aufgabe – durch den Gesetzgeber oder den Betriebsrat.

Über einen anderen Datenschutz

Datenschutz fußt auf gesellschaftlichem Fundament. Datenschutz vermittelt der Organisation was gesellschaftlich unerwünscht ist und inspiriert die Organisation zu Spielräumen jenseits dessen. Gesellschaftlicher Fortschritt, so gering er auch sei, kann erreicht werden. Oktroyierte der Datenschutz der Organisation das was vermeintlich gesellschaftlich wünschenswert wäre, so geriete das Individuum in Bedrängnis.

Über die Frage wie datenschutzfreundlich dieses Blog wohl ist

Aus Gründen des Datenschutzes ist in diesem Blog die Kommentarfunktion seit 2012 abgestellt und ebenfalls seit 2012 ist dieses Blog werbefrei. Eine Datenschutzerklärung ist schon immer vorhanden. Gerade in ihr mag das ein oder andere noch deutlich zu verbessern sein aber dies soll in einfacher Sprache geschehen und nur mit soviel Informationen, daß es den durchschnittlichen Nutzer informiert aber nicht überfordert. Und vor allen Dingen soll hier keine Datenschutzerklärung von Juristen für Juristen vorhanden sein. Das ist unsinnig denn es würde zeigen wie wenig Gedanken sich der Blogbetreiber wirklich gemacht hat.

Eine technische Möglichkeit auch unter die Haube des Blogs zu schauen bietet die schwedische Webseite https://webbkoll.dataskydd.net/.

Das Resultat: Die Verbindung zum Blog ist sicher, strikte Transportsicherheit ist gewährleistet. Beim Besuch des Blogs werden keine Cookies gesetzt, allerdings gibt aktuell 26 Third-Party-Requests an 12 Drittparteien. Diese Drittparteien sind allerdings WordPress.com selber beziehungsweise Automattic und Gravatar aus dem „Konzern“. Zwei weitere Dritte sind Creative Commons und Twitter.

Für ein kleines privates Blog, im „unsicheren Drittland“ Amerika auf einer Plattform gehostet, ist das Ergebnis gut und ja – es ist datenschutzfreundlich.

Über den Datenschutzlayer auf WordPress.com für kostenlose Blogs

Allen kostenlosen Blogs auf WordPress.com ist ein Datenschutz- und Cookielayer von Automattic vorgeschaltet. Das zeugt von Verantwortung, die Automattic für die Blogger übernimmt. Allerdings ist es zur Zeit so, daß Blogger, die selber schon ein Datenschutzlayer schalteten auch das von Automattic vorgesetzt bekommen und so zwei Layer übereinander liegen. Dies ist nicht hilfreich. Kritisch anzumerken ist ebenfalls, daß sich viele Blogger sich in ihrem Rechtsraum besser auskennen und einen angemesseneneren Layer geschaltet haben, der den Anforderungen der DSGVO wesentlich näher kommt als der von Automattic. Zumal Blogger diese Hinweise auch eher in einfacher Sprache gestalten als ein Unternehmen. Die jetztige Situation ist schade. Hoffentlich ist die Situation nur temporär und Automattic wird in Zukunft selbstgestaltete Layer zulassen.

Über Datenschutzerklärungen und einfache Sprache

Die DSGVO, die seit letztem Freitag angewendet wird, verlangt, dass die Informationen die die Organisation der Person bereitstellen soll, in einfacher Sprache sind. Diese Informationen sind das Aushängeschild der Organisation. Sie haben eine tragische Form, Unverständlichkeit und erhabene Sprache. Sie könnten, in einfacher Sprache, zwar den Ansprüchen der Person genügen, den Ansprüchen der Aufsichtsbehörden und anderer Organisationen nie. Denn die Informationsbereitstellung ist eine Optimierungsaufgabe. Zwar wird der zusätzliche Nutzen der Information immer geringer aber genau diese fehlende Information kann von der Aufsichtsbehörde und anderen Organisationen als diejenige deklariert werden, die die „Informationelle Selbstbestimmung“ der Person am stärksten gefährdet. Die betroffene Organisation ist dabei natürlich düpiert. Es ist also aus Sicht der Organisation vernünftig diese Informationen in der juristischen Sprache von Juristen für Juristen bereit zu stellen und die Person zu ignorieren. So kann sich die Organisation mit der Aufsichtsbehörde oder einer anderen Organisation unter Gleichen in juristischer Sprache austauschen und verständigen. Die Tragik ist aufgelöst, die Person bleibt auf der Strecke. Wer könnte eigentlich ein Interesse daran haben, dass sich das ändert?

Über die Person im Visier der Aufsichtsbehörde

Zu Beginn eine Ergänzung zum Blogpost „Über die Stunde der Aufsichtsbehörden„. Die systemtheoretische Fundierung des Bildes von der „strukturellen Überlegenheit“ der Organisation über die Person in der Datenschutztheorie transzendiert dieses Bild in den Zustand ewiger Wahrheit bis ans Ende aller Zeiten. In dem Blogpost wird dieses Bild der „strukturellen Überlegenheit“ zwar benutzt ist aber der systemtheoretischen Fundierung enthoben damit sich überhaupt neue Sichtweisen erschließen lassen und ein Weiterdenken möglich wird. So wird der Blick frei für die Möglichkeit der Datenschutzaufsicht als Angreifer auf die Organisation. (Selbst empirisch faßbar denn einige Aufsichtsbehörden, z.B. die spanische Datenschutzaufsicht finanzieren sich durch die Bußgelder, sind also profitorientiert.)

Das macht nun keinesfalls Halt vor der Person. Blogger, die nicht gewerblich bloggen sind vor Angriffen nicht gefeit. Die Bürokratie feiert fröhliche Urstände und auch die kleinen privaten Blogger müssen datenschutzrechtliche Verträge mit ihrem Webhostinganbieter abschließen und die Verantwortung für deren Datenverarbeitung übernehmen. In Wirklichkeit haben sie keine Kontrolle oder Möglichkeit der Kontrolle über die Datenverarbeitung des Webhostinganbieters. Die Aufsicht meint die Organisation, nimmt aber die Person ins Visier. Ist das eigentlich gesellschaftlich so gewollt? Wohin wird dieses Ins-Visier-Nehmen führen? Und nimmt die Aufsichtsbehörde auch dieses kleine Blog ins Visier?

Über die Stunde der Aufsichtsbehörden

Auf der re:publica 2018 sprach der Hamburgische Datenschutzbeauftragte Johannes Caspar auf einem Panel sinngemäß davon, dass jetzt die Stunde der Aufsichtsbehörden gekommen sei. Die Stunde werde eingeläutet durch die Anwendung der DSGVO am Ende des Monats. Da sei ihm unbenommen zuzustimmen. Aber welche Veränderung wird durch die Anwendung der DSGVO im Geflecht zwischen Organisation, Person und Aufsichtsbehörde theoretisch möglich?

Der Ausgangspunkt ist folgender: Die strukturelle Überlegenheit der Organisation über die Person, diese Machtasymmetrie ruft Widerspruch hervor. Organisationen können Risiken auf Personen abwälzen und so die Heteronomie, den Druck, auf die Person verstärken. Durch die DSGVO hindurch wird diese Asymmetrie theoretisch zugunsten der Person behoben. Gleichzeitig aber können Gegenreaktionen auf Seiten der Organisation erfolgen. Die Person ändert sich in der Wahrnehmung der Organisation und wird vom Objekt zum Angreifer. Zugleich wird auch die Datenschutzaufsicht zum Angreifer umgedeutet. Datenschutz wird zur Complianceaufgabe um die Risiken der Organisation durch die Angriffe von Person und Aufsichtsbehörde zu minimieren. Das wirft zumindest zwei Fragen auf. Welche Auswirkungen hat es auf die Person wenn sie von der Organisation als Angreifer gedacht wird? Was mögen die Gegenbewegungen der Aufsichtsbehörden und der Person sein?

Über die Infallibilität der Artikelgruppe 29

Eine Juristin twittert, daß die Verlautbarungen der Artikelgruppe 29 nicht das letzte Wort seien, sondern wenn Aufsichtsbehörden die Verlautbarungen durchsetzen wollen, diese von einem Gericht geprüft werden können. Der Mitarbeiter einer Aufsichtsbehörde der Länder bezweifelt die Kompetenz und Zuständigkeit eines Gerichts. Die Mitglieder der Artikelgruppe seien „informatorisch und juristisch“ so weise (nicht sozialwissenschaftlich, nicht politisch, nicht philosophisch, also mehr oder weniger außerhalb der Welt, der Welt entrückt), daß sie also nur Erwägungen des letzten Wortes sprechen, sie sind unfehlbar – demiurgisch. Nein – unfehlbar sind sie sicher nicht und sie erschaffen auch sicher nicht die Welt. Ihre Verlautbarungen sind immer ideologisch. Deshalb ist Überprüfung richtig und wichtig. Und es wundert doch schon, daß Gewaltenteilung verneint wird. Das ist schlechte Praxis.

Über betrunkene Algorithmen

Wir machen es uns einfach und vermeiden den Begriff Künstliche Intelligenz sowie Smarte Maschinen. Wir nennen das Ergebnis eines ausgeführten Algorithmus „Entscheidung“ wohl wissend, daß eigentlich nur Menschen entscheiden können. Algorithmus steht in unserem Falle einfachhalber auch für ein ganzes Bündel von Algorithmen, für Millionen Zeilen Maschinenschrift. Entscheidend ist, daß dieser Algorithmus eine Entscheidung über Menschen trifft ohne daß das Ergebnis von einem anderen Menschen geprüft wurde und somit als alleinige Entscheidung im Raum steht.
Um doch etwas Komplexität in den Gedanken zu bringen nehmen wir an, der Algorithmus besäße Emotionen. Dazu sei jetzt nicht notwendigerweise Bewußtsein notwendig. Auf einem Panel wird der Algorithmus, der negative Emotionen zeigt und Entscheidungen trifft „betrunkener Algorithmus“ genannt. Nicht nur ein betrunkener Algorithmus sondern ganz grundsätzlich ein Algorithmus mit Emotionen ist etwas, das viele Menschen erschreckt.