Reist ein Mensch für einige Tage an einen anderen Ort ist das möglicherweise ein Urlaub. Urlaub heißt für Arbeitslose „Ortsabwesenheit“. 21 Tage haben sie davon im Jahr. Ortsabwesenheit meint auch Reisen am Wochenende oder an Feiertagen. Das ist von der Arbeitsagentur zu genehmigen. Die Kundïnnen müssen sich Reisen genehmigen lassen – wie gesagt als Kundïnnen – was für eine Camouflage. Offiziell heißt es, die Arbeitsagentur möchte so schnell wie möglich vermitteln. Am Wochenende? Ob die Einschließung bei aller Digitalisierung nicht eher eine Disziplinarmaßnahme ist?
Schlagwort: sozialabbau
Über das Ergebnis der Mitgliederbefragung (4)
Das Bestehende, das Bräsige, das Neoliberale, das Anti-Digitale ist nicht gewählt. Ratlosigkeit überall. Diese Ratlosigkeit, bei den Anhängern des Bestehenden ist klar, bei den Befürwortern des Anderen ebenfalls, wenn auch auf bestimmte Art und Weise. Die Ziele, die Zwecke des Anderen sind klar, die Mittel, die Verfahren, die Wege nicht. Das schafft Irritationen. Die Auflösung ist offen. Zudem, das öffentliche Konzert um das Ergebnis von denjenigen, die sich wichtig empfinden, ist traurig. Inhalte werden bis zur Unkenntlichkeit verwischt in der personalisierten Welt, die ein Teil der Kulturindustrie zornig um das Progressive spinnt. Die Chance das Verbaute, den Schein zu durchzustechen ist da, sie sollte genutzt werden…
Über das Ergebnis der Mitgliederbefragung (3)
Taktik prägt die Mitgliederbefragung. Menschen, die nicht mit den Inhalten eines Teams übereinstimmen, nicht mal in nenneswerten Relationen, wählen es trotzdem. Das nützt dem Bestehenden. Veränderung ist unangenehm. Das Bestehende, das Bräsige, das Neoliberale, das Anti-Digitale werden zwar nicht wirklich goutiert, sind aber für die Vielen erträglicher als frischer Wind. Das Konservative sitzt tief.
Über das Ergebnis der Mitgliederbefragung (2)
Die Mitgliederbefragung bestätigt im ersten Wahlgang das Bestehende. Erschütternd…
Über das Ergebnis der Mitgliederbefragung
Wird das Ergebnis der Mitgliederbefragung das Bestehende bestätigen? Der Abstieg in die Bedeutungslosigkeit würde denkbar werden. Singend, Seit‘ an Seit‘ schreitend der Rückzug des Politischen aus der Politik. Die Selbstaufgabe einer Partei…
Die Sache mit der GDL
Zufällig hatte ich gestern mal wieder Deleuzes „Postskriptum über die Kontrollgesellschaften“ in der Hand und las im Abschnitt „III. Programm“ folgende Bemerkung über die Gewerkschaften:
Eine der wichtigsten Fragen dürfte die Untauglichkeit der Gewerkschaften betreffen: In ihrer ganzen Geschichte waren sie gebunden an den Kampf in den Einschließungsmilieus oder gegen die Disziplinierungen. Können sie sich der neuen Situation anpassen oder machen sie neuen Widerstandsformen gegen die Kontrollgesellschaften Platz?
Sicherlich haben sich neue Widerstandsformen gegen die Kontrollgesellschaften im zivilgesellschaftlichen Bereich gebildet aber die Organisation der Gewerkschaften als Vertreter der Beschäftigten hat sich ebenso gewandelt wie die Beschäftigtenstruktur und das Selbstverständnis der Beschäftigten. Spartengewerkschaften, wie die GDL, sind meines Erachtens tatsächlich eine Organisationsform der „Flüchtigen Moderne“ wie Zygmunt Bauman sie beschreibt. Daß sie das tun, wozu sie da sind, nämlich im Interesse ihrer Mitglieder tätig zu sein, sollte eigentlich eine Binsenwahrheit sein, trotzdem haben mich manche Reaktionen auf den Streik gerade auch von Menschen, die sich selber links einstufen, erschreckt. Solidarität scheint ein Fremdwort geworden zu sein, Egoismus geht vor. Ebenfalls seltsam finde ich allerdings die Berichte des professionellen Journalismus, der die GDL, ihre Vertreter und ihre Kampfmaßnahmen thematisiert und überwiegend diskreditiert, zur Politik des Arbeitgebers, des Kapitals, zu Entlohnung und zu Arbeitszeiten jedoch schweigt. Die Gesellschaft hat sich deutlich verändert.
Nachgedanken zur Sache mit dem Tempelhofer Feld
Zu der Sache mit dem Tempelhofer Feld muß ich für mich noch ein paar Nachgedanken niederschreiben. Nachgedanken deshalb, da mich teilweise die Reaktionen in Politik und Presse zum Ausgang des Volksentscheids doch ziemlich verblüfft haben: einerseits – Berlin sei im Stillstand, nichts geht mehr, Sankt Florian allerorten – andererseits – niemand brauche sich jetzt mehr über steigende Mieten zu wundern. Die ersten Reaktionen verbuche ich in der Kategorie politische Leerformeln, letztere allerdings scheint mir interessant zu sein und sollte genauer beleuchtet werden. Meine Gedanken dazu sind sicherlich vorläufig, unvollständig und biased, mindestens durch den Rückschaufehler.
Offiziell ist der soziale Wohnungsbau in Berlin seit 2002 eingestellt. Die Gründe dafür sind vielfältig, lagen z.B. im Rückzug aus der Förderung durch den Bund, in der schwierigen Haushaltslage des Landes und in einem methodisch fragwürdig berechneten Leerstand von 100.000 Wohnungen, der seltsamerweise trotz Bevölkerungsgewinnen über die Jahre fortgeschrieben wurde und sich schließlich in Luft auflöste. Dieser fiktive Leerstand diente als Argument ausreichender Wohnraumversorgung. Bestände kommunaler Wohnungs-unternehmen wurden an Finanzinvestoren verkauft, die Privatisierung des Mietwohnungsbestands in Berlin war erklärtes Ziel der Politik. Dieses Ziel ist erreicht, heute befindet sich der Großteil des Berliner Wohnungsbestandes auf dem freien Wohnungsmarkt. Flankierend dazu setzte die Politik auf die wirtschaftliche Entwicklung der Stadt um auf diese Weise über Hebung des allgemeinen Einkommensniveaus auch ärmeren Schichten den Zugang zu angemessenem Wohnraum zu gewähren. Ideen, die im damaligen Zeitgeist lagen aber nicht überzeugen können. Zunehmende Residualisierung aber auch Verharren in der Wohnung durch steigende Mieten in den Beständen sind die Folgen. Nun agieren auf dem freien Wohnungsmarkt unterschiedliche Anbieter mit unterschiedlichen Verwertungsinteressen. Finanzinvestoren und das ist ihr legitimes Interesse wollen eine möglichst gute Verzinsung des eingesetzten Kapitals, die Wohnungen in diesen Beständen stehen unter Miet- erhöhungsdruck. Kleine Privateigentümer, die ihre Mieter noch persönlich kennen, möglicherweise auch im selben Haus wohnen, haben Interessen an langfristiger Vermögenssicherung und kontinuierlichen Mieteinahmen, hier wird der Mieterhöhungsdruck geringer sein.
Verdinglichung heute
Der designierte Spitzenkandidat der europäischen Sozialdemokratie für die Europawahl 2014, Martin Schulz, hat in einem Presseerzeugnis ausführlich das Thema Digitalisierung beleuchtet. Nico hat in seinem Blog darauf einen ausführlichen Kommentar geschrieben, den ich so gerne unterschreibe und dem ich eigentlich nichts hinzuzufügen habe.
Doch scheint mir die Forderung von Martin Schulz, „die Verdinglichung des Menschen nicht zuzulassen“ und „die Ökonomisierung aller Lebensbereich zu verhindern“ etwas aus der Zeit gefallen zu sein. Verdinglichung und Ökonomisierung sind längst Realität und im täglichen Leben seit Jahrzehnten auch ohne Digitalisierung erfahrbar.
Verdinglichung, nicht unbedingt als ökonomischer Begriff, sondern als Adiaphorisierung menschlicher Angelegenheiten sind beispielweise in der Verwaltung gang und gäbe. Ohne die Reduktion menschlicher Angelegenheiten auf Vorgänge und Aktenzeichen wäre eine rationale Bearbeitung ohne Distanz unmöglich.
Verdinglichung im ökonomischen Sinne drängt sich in alle sozialen Interaktionen, in denen Menschen sich freiwillig oder gezwungen, in Waren verwandeln um einen Zweck zu erreichen. Das sind die Verhältnisse auf dem Arbeitsmarkt, die jeder Arbeitnehmer kennt. Und diejenigen, die eine Wohnung suchen wissen genau, daß pekuniäre Potenz nicht ausreichend ist, sondern sich die ganze Person in eine Ware verwandeln muß, die dem Vermieter zusagt. Alltagserfahrung von Müttern und Vätern, die eine Kitaplatz suchen, sind daß sie sich gezwungen sehen ihr Kind ebenfalls als Ware präsentieren, das diese oder jene besondere Eigenschaft hat. In den Angelegenheiten des Politischen erfahren wir seit Jahren wie der Inhalt immer weniger relevant wird, der Person immer mehr Aufmerksamkeit zugeschrieben und medial vermittelt wird. Der Politiker ist zur Ware geworden. Wie die Menschen auch in Angelegenheiten des Gefühlslebens warenförmig handeln hat Eva Illouz beschrieben. Verdinglichung und Ökonomisierung sind also nahezu allgegenwärtig.
Abschließend eine Bemerkung zur Vorratsdatenspeicherung. Da die Politik, entweder freiwillig aufgrund der neoliberalen Ideologie oder vielleicht gezwungenermaßen, in immer mehr Politikfeldern Entscheidungs- und Vollzugsmacht abgegeben hat, bleibt das, was sie „Innere Sicherheit“ oder „Äußere Sicherheit“ nennt, noch als Entscheidungs- und Vollzugsmacht für sie übrig. Hier sieht sie Gelegenheiten des Handelns, wie richtig oder falsch sie auch sein mögen.
Zur Kanzlerkandidaten-Kandidatenkür
Es ist schwierig im Nachhinein das Ergebnis der Kanzlerkandidaten-Kandidatenkür der SPD vernünftig ohne Rückschaufehler zu bewerten und deshalb schaue ich auf den Prozeß der Kür, da gibt es für mich genug Fragen.
Mich wundert zunächst, wieso genau dieser Prozeß der Kandidatenkür gewählt wurde. Es gäbe unzählige Verfahren der Kandidatenkür, warum also dieser Weg? Für mich völlig unklar. Und wieso wurde exakt diese Troika ausgerufen? Schaut man nach dem, was zunächst nicht sichtbar ist, stellt sich für mich die Frage nach den Frauen und Männern, die nicht in die veröffentlichte Dreiergruppe gelangt sind, warum lassen die das so geschehen? Denn eines ist doch klar, eine Partei wie die SPD verfügt über mehr als drei Personen, die Kanzlerkandidat werden könnten.
Die SPD hat bei der vergangenen Bundestagswahl mit 23% abgeschnitten und wird zur Zeit um die 28% bewertet. Um einen Regierungswechsel sicher herbeizuführen müssen da noch einige Schippen aufgelegt werden. Was davon schreibt man dem Kanzlerkandidaten zu? Gibt es eine vernünftige Erklärung, die vor der Bundestagswahl den Beitrag des Kandidaten zum Ergebnis vorhersagbar macht? Ich fürchte nicht und von daher ist m.E. diese ganze Personalie überschätzt. Entscheidend sind Programm und Auftreten der Partei als Ganzes, nicht das Auftreten einzelner. Ich erinnere abschließend an Sigmar Gabriels Rede auf dem Parteitag 2009 in Dresden:
ACTA ist vom Tisch, was kommt nun?
Das Europäische Parlament hat sich einen Ruck gegeben und ACTA abgelehnt. Damit ist dieser Vorschlag vom Tisch. Was letztendlich den Ausschlag für diese deutliche Ablehnung gegeben hat vermag ich nicht zu sagen. War es die öffentliche Diskussion, die die Zivilgesellschaft angestoßen hatte oder waren es Animositäten des Europäischen Parlaments gegenüber den anderen EU-Institutionen, die klammheimlich dieses Abkommen durch den Gesetzgebungsprozeß bringen wollten? Ich weiß es nicht. Im Moment ist es auch egal, Freude ist angesagt.
Aufgeben werden die Befürworter und Nutznießer einer solchen Regelung sicher nicht und die nächsten monströsen Regulierungsanliegen der EU-Kommission wie z.B. IPRED sind immer noch in der Pipeline. Politik und Öffentlichkeit werden sich also weiter mit dem Thema beschäftigen müssen.
Als Lektüre sei den Urhebern dieses Gesetzesvorhabens mit ihrem doch etwas intransparenten Politikstil einmal Immanuel Kants Zum ewigen Frieden von 1795 geraten. Schon vor über 200 Jahren wandte sich Kant gegen lichtscheue Politik unter anderem mit den Worten:
Alle auf das Recht anderer Menschen bezogene Handlungen, deren Maxime sich nicht mit der Publizität verträgt, sind unrecht.
Ich habe Hoffnung, daß sich auch die Politik zum Positiven verändern kann.