Über das Schokoladenhaus

In Mitte steht das Schokoladenhaus prominent am Rande des Gendarmenmarkts. Dort gibt es süße Versuchungen zu probieren und zu kaufen. Touristïnnen aus aller Welt mögen das Angebot. Vor dem Haus kniet am Rande des Bordsteins, in einiger Entfernung vom roten Teppich, der in den Laden führt ein Bettler. Mit leiser Stimme trägt er sein Anliegen vor. Die Menschen übersehen ihn. Es ist ein kaum zu ertragenden Kontrast zwischen dem süßen Luxus im Gebäude und der bitteren Armut vor ihm.

Über das Lesen von Verrücktheiten

Warum liest jemand in der heutigen Zeit altgriechische Poesie wie die Ilias und Odyssee? Warum sich mit Hexameterdichtung, Lyrik und Drama aus alter Zeit beschäftigen? Unter dem gesellschaftlich herrschenden Nützlichkeitsaspekt sind das Verrücktheiten. Nützlichkeitsgedanken sickern immer tiefer in das Leben ein. Nonkonformismus hilft dagegen, das Lesen altgriechischer Poesie ist genau das und ein Fitzelchen Freiheit wird zurückgewonnen.

Über Jobtitel

Kurze und einfache Jobtitel weisen auf diejenigen hin, die etwas zu sagen haben. Diejenigen mit langen und verschwurbelten Jobtiteln sind diejenigen, die gerne etwas zu sagen hätten aber nur aufgeblasene Egos vorweisen und damit ihre mangelnde Autorität kompensieren.

Über Personalisierung in der Politik

Sind Personen Gegenstand des politischen Diskurses, so verliert sich der Inhalt. Politik wird unpolitisch, Politik wird scheinhaft. Die Menschen schauen dem zu, teils mit großer Aufmerksamkeit und gewinnen damit Zerstreuung. Eine Verbesserung ihres Lebens gewinnen sie nicht. Zudem ist auf die Inhalte zu achten. Obacht bei den Inhalten. Floskelhafte Anbetung von „Marktwirtschaft“ oder „Leistung“ oder schnappatmiges Verdammen von „Vergesellschaftung“ sind mit Vorsicht zu genießen und strikt zu hinterfragen. Werden sie hinterfragt, wird gähnende Hohlheit sichtbar. Nur Politik, die konsequent in Frage stellt kann darüber hinausgehen.

Über ein neues Device

Ein neues Device ist eingezogen. Geerbt hat es die Anwendungen und das Wissen des alten, das nun seine wohlverdiente Ruhe in der Tiefe und Stille einer Schublade genießt. Einen Namen hat das neue bereits, die Fetischisierung ist am ersten Tag vollständig.

Über Fragen zur Gebrechlichkeit

Wenn die Beine versagen und der Verlust des Gangs vollzogen ist, wie fühlt sich der Mensch? Wenn die anerzogenen Regeln der Notdurft nicht mehr eingehalten werden können, wie fühlt sich der Mensch? Wenn die Worte nicht mehr formuliert werden können, wie fühlt sich der Mensch? Wenn die Augen zusehens schwächer werden, wie fühlt sich der Mensch? Die Traurigkeit, die den Menschen erfaßt, wenn er nicht mehr laufen, nicht mehr sehen, nicht mehr anerzogen Notdurft verrichten, nicht mehr richtig sprechen und nicht mehr richtig sehen kann, was macht das mit seinem Denken? Wie kann der traurige, nichtgehende, nicht mehr wie anerzogen Notdurft verrichtende, schlecht sprechende und schlecht sehende Mensch würdevoll als Mensch leben und begleitet werden?

Über don’t meet because it’s Thursday

Das Wort „Leadership“ bewirkt eine Gänsehaut und das Zusammenziehen der Nackenmuskulatur. „Führung“ ist eine personifizierte Form des gesellschaftlichen Drucks, „Führungsprinzipien“ ihre Anwendung.

„Don’t meet because it’s Thursday“ ist ein negativ formuliertes „Führungsprinzip“. Nicht die Geschäftigkeit, nicht die Anwesenheit zählen. Auch die beliebten Sätze – das haben wir immer schon so gemacht; das haben wir noch nie gemacht – die Killer- und Todschlagphrasen jeglicher Veränderung werden damit negiert. Empirisch wird das Prinzip obstruiert indem Arbeitsprozesse so gestaltet werden, daß Geschäftigkeit und Anwesenheit doch trotz gegenteiliger Verlautbarung wieder als wesentliche Faktoren gesehen werden. Und Beharrungskräfte in der Organisation nehmen gemeinhin die Stärke der Gravitation Schwarzer Löcher ein. Trotzdem, das Prinzip bietet Chancen, denn es läßt Raum für das Finden von unbekannten Lösungen. Die Frage ist nur, in welcher Konstellation innerhalb der Organisation es sich verwirklichen läßt?

Über disagree and commit

Das Wort „Leadership“ bewirkt eine Gänsehaut und das Zusammenziehen der Nackenmuskulatur. „Führung“ ist eine personifizierte Form des gesellschaftlichen Drucks, „Führungsprinzipien“ ihre Anwendung.

„disagree and commit“ hat seine eigene Rationalität zur Handlungsfähigkeit von Organisationen: Widerspruch muß stattfinden können sonst ist zu viel Dampf im geschlossenen Kessel, Commitment soll die Entscheidung absichern, „disagree und commit“ soll den Entscheidungsprozeß beschleunigen in einer Welt voller Menschen, die sich selbst für aufgeklärt und wissend halten und in der „par ordre di mufti“ kein Entscheidungsprinzip mehr sein kann. Aber ist „disagree and commit“ nicht auch nur ein fahler Schein vermeintlich autonomen Handelns und die Zustimmung zu diesem Prinzip eine Hinwendung zu noch mehr Heteronomie?

Über Meetings

Meetings sind die entzündlichen Tonsillen des Arbeitslebens – irgendwie notwendig und überflüssig zugleich. Die geistige Gesundheit vor und während ihnen läßt sich bewahren indem man den Widerwillen gegen sie durch Neugier auf sie ersetzt. Neugier und Lust durchdringen einander…

Über Schulpflicht und sogenanntes Schulschwänzen

Die aktuelle Diskussion um Schulpflicht und Schulschwänzen im Rahmen der Freitagsdemonstrationen der Schüler ist ein Treppenwitz. Diejenigen, die Schulpflicht geifernd propagieren zeigen exakt was sie von Schule halten: Disziplinaranstalt zur gesellschaftlichen (De)Formierung junger Menschen.