Über Technik und Liebe

Zitat Adorno aus „Erziehung nach Auschwitz“ in Kulturkritik und Gesellschaft II, stw, 2018, Seite 686:

„Bei dem Typus, der zur Fetischisierung der Technik neigt, handelt es sich, schlicht gesagt um Menschen, die nicht lieben können.“

Wird „der Technik“ durch „des Digitalen“ ersetzt, beschreibt das einen neuen Typus im 21. Jahrhundert.

Über Automatisches Schreiben

Veränderung eines Begriffs in der Zeit: Vor hundert Jahren war Automatisches Schreiben die Verschriftlichung von Gefühlen, Emotionen, der emporsteigenden Sedimenten des Unbewußten unter Absehung der Vernunft und ohne Korrektur des Geschriebenen. Heute ist Automatisches Schreiben Textproduktion unter Verwendung maschineller Binärschrift ohne daß die Maschinen das Geschriebene interpretieren können. Was macht das mit den Lebenden?

Über das „zu lang; nicht gelesen“

Das, was kurz sein soll ergießt sich als ungenießbarer Brei vor die Augen des entnervten Publikums: Nutzungsbedingungen, AGBs, Datenschutzerklärungen. Für das Publikum geschrieben wären sie kurz, einfach und klar. Sie sind aber von Juristen für Juristen geschrieben, die sich daran ergötzen, das Publikum liest sie nicht.

In den Sozialen Netzwerken ist Kürze Programm. Die Kürze bedingt teilweise Übles, Gemeines, Dummes.

Was kurz ist in der Literatur wie Miniatur, Fragment, Aphorismus, Essay oder Traktat, zeigt durch die Form besonderen Anspruch. Kleine Formen zu deuten benötigt Kontemplation. Kontemplation ist länglich.

Über die zarte Digitalisierung meines Fernsehkonsums

Kabelanschluß ist in meiner Wohnung Teil der Mietsache, schon von Beginn an und zunächst als analoger, später in den Nuller-Jahren als digitaler Anschluß. Das hat mich nie sonderlich interessiert, genügend Programme waren immer da. Die letzte Hardware dazu habe ich von zehn Jahren gekauft, einen mächtigen Röhrenfernseher von Loewe, Modell Planus. Zur Kaufzeit fand ich, daß das Ding einen wunderbar großen Bildschirm mit Bild-im-Bild-Funktion und Stereolautsprechern hatte. Der Planus entwickelte sich im Laufe der Zeit zum unverzichtbaren Inventar, den ich mit allen seinen Macken und Zacken schätzen lernte. Seine erratischen Lautstärkeschwankungen zwischen Sendungen und Programmen, seine ausgeleierte Abdeckklappe für die Funktionsknöpfe, solcherlei Eigenheiten machen ihn halt liebenswert. Digitalprogramme kann er nicht empfangen, war auch unnötig. Dies änderte sich Mitte Oktober als der Kabelbetreiber des Vertrauens unvermittelt etliche Dritte Programme des Öffentlich-Rechtlichen Rundfunks im Analogbereich abschaltete und nur noch digital übertrug. Die Holde und ich waren konsterniert. Was tun? Ich schaute mich zunächst im Internet, dann in verschiedenen Geschäften nach neuen Fernsehern um und kapitulierte vor dem aktuellen Stand der Fernsehtechnologie. Ein neuer Fernseher kommt mir nicht ins Haus.

Dieses Wochenende sollte die Lösung bringen, ein Digitalreceiver für den Kabelempfang mußte her. Entschlossen begab ich mich zum Alexanderplatz und hatte zunächst Mühe, den neuen Standort des Medienhändlers des Vertrauens zu finden, so lange war ich nicht mehr dort. Ein ausgesprochen netter Verkäufer erklärte mir die Funktionsweisen verschiedener Modelle und ich erstand ein Gerät im zweistelligen Eurobereich und ein neues Scartkabel. Der Anschluß des Gerätes und die Erstinstallation waren kinderleicht.

Ich bin begeistert. Ich kann nun wieder alle Programme, die ich auch vorher hatte und ein paar mehr empfangen. Der Neomanie in der TV-Geräte- und Fernsehtechnologie kann ich mich mit der Weiterverwendung meiner alten Röhrenkiste elegant entziehen. Allerdings findet schließlich doch eine zarte Digitalisierung meines Fernsehkonsums statt. Diese ist aber meinen Bedürfnissen angemessen.