Über einen Sonntag 6

Wo ist die Pflicht geblieben? Wo hat sich der Zwang versteckt? Wo verkrümelt sich das verdinglichte Bewußtsein? Morgentliches Schwimmen im Pool, der Strandspaziergang am Vormittag, der Mittagschlaf scheinen frei davon zu sein. Das Lesen der Sonntagszeitungen gibt eine Menge preis. Das 7-Gänge-Menü am Abend ist sich noch nicht sicher darüber. Das Gute-Nacht-Stout weiß nichts von solchen Dingen. Twitter, das Gesichtsbuch, Swarm und Instagram sind prall gefüllt. Das Blog versucht sich fern zu halten.

Über den Mittagschlaf

Der Mittagschlaf ist eine disziplinarische Angelegenheit und deshalb abzulehnen, habe ich immer gedacht. Kein Laster wie Trägheit, denn dazu hätte ich mich möglicherweise noch bekennen können. Die Mittagsmüdigkeit und somit der Mittagschlaf stellen sich unwillkürlich, ohne Anstrengung und ohne Willen raumzeitlich an der Ostsee in Binz während der Urlaubstage ein. Liegt es an der Luft, dem wunderbaren Hotelzimmer, dem Flanieren an Meer und Promenade? Das ist vollkommen gleichgültig. Der Mittagschlaf erfrischt, er unterstützt die gelingende Kontemplation. Was will der Mensch mehr?

Über die Cocktailstunde

Bestimmt gibt es ernsthafte kulturhistorische Betrachtungen der Cocktailstunde. Mir selbst ist die Beschreibung der Cocktailstunde eher aus der Literatur, genauer gesagt aus der Krimiliteratur bekannt. Ich denke an Agatha Christie und Hercule Poirot. Meist treffen sich Menschen zu einer mehr oder weniger festgelegten Uhrzeit,  meist bevor es das Dinner beginnt und der weitere Abend in unterschiedlicher Form verbracht wird. Sie nehmen ein paar Cocktails und unterhalten sich.

Cocktailstunde
Cocktailstunde

Die Cocktailstunde erlebe ich selber meist im Urlaub, einmal die Woche aber auch in der Gastronomie in der Nachbarschaft. Zur Cocktailstunde nehme ich grundsätzlich zwei Runden, bestehend aus einem Bier für den Durst und einem Cocktail für den Geschmack. Entgegen der Üblichkeit verbringe ich die Cocktailstunde allein, ohne Gespräch mit anwesenden Personen. Ich lese Zeitungen, die ich nicht abonniert habe oder bringe ein Buch mit.

Cocktailstunde
Cocktailstunde

Bei Letzterem findet also ein Gepräch mit dem Autor statt oder ein Gespräch zwischen mir und mir selbst über das Gelesene.

Cocktailstunde
Cocktailstunde

Die meiste Zeit jedoch ist die Cocktailstunde reine Kontemplation, völlig aufmerksamkeitslos, mit frei flottierenden Gendanken.

Cocktailstunde
Cocktailstunde

Die Sache mit der Düse

Das Hotel des Vertrauens an der Ostsee hat das Bad unseres Lieblingszimmers modernisiert. So finden wir einen neuen Duschkopf vor. Dieser Duschkopf hat an der Oberseite vier Tasten, die jeweils andere Düsen aktivieren – Rain oder Jet heißen sie beispielsweise. Das wird natürlich ausprobiert und die Taste mit dem lustigsten und auch seltsamsten Namen ist die interessanteste. Die Düsen formieren einen Jetstrahl der sich langsam pulsierend bewegt – faszinierend! Die Recherche in der Suchmaschine des Vertrauens ergibt, daß sowohl Name als auch Idee der Bewegung der Düsen von den Techniken der Ureinwohner des Fünften Kontinents abgeleitet ist – sehr spannend! Der Hersteller der Brause benennt den Zweck u.a. für die Massage des Nackens.

Wir deuten die Funktionalität weiter und verwenden den pulsierenden Wasserstrahl bidet-esque. Und das mit spürbarem Erfolg.

Die Suche nach der Wochenzeitschrift des Vertrauens

Ein verlängertes Wochenende auf der Insel im Ostseebad des Vertrauens – Entspannung pur, relaxen, schwimmen, schlemmen, spazierengehen und lesen. (Glotze möglichst auslassen!) Lesen ist Lebenselexier, zwei Bücher sind mitgenommen, die Zeitungen werden vor Ort gekauft. Letzteres scheint gar nicht so einfach. Die Wochenzeitschrift des Vertrauens ist nicht aufzufinden.

Sonnenaufgang
Sonnenaufgang

Das Hotel hält selbstverständlich die überregionalen Tageszeitungen bereit und zeigt sogar gegenüber den Berliner Gästen Großzügigkeit, indem es die dortige Regionalzeitungen offeriert, jedoch die Wochenzeitschrift des Vertrauens führt es nicht. Kein Problem, es gibt ja noch mehr Geschäfte im Städtchen. Immerhin strahlt das Städtchen Urbanität aus das bemerkt der Gast im tiefsten Winter, wenn in den umliegenden Bädern der Winterschlaf Rinzug gehalten hat. Jedoch ist auch im großen, mit Zeitschriften wohlsortierten Lebensmittelgeschäft in der Stadtmitte die gewünschte Zeitschrift nicht vorhanden; ebenso in den üblichen Zeitschriftenläden. Dem geneigten Gast fällt glücklicherweise ein, daß das Städtchen hat einen Bahnhof mit ICE-Anschluß hat und sich im Bahnhof eine Filliale einer Zeitschriftenladenkette befindet. Die Wochenzeitschrift des Vertrauens ist dort vorrätig, den Gast freut es.

Die Sache mit dem Gemüsesalat

Beim Schreiben der Überschrift stutze ich – Gemüsesalat, was soll das sein, seit wann ist Salat ein Gemüse? Die Verwirrung legt sich schnell, fallen mir doch Eiersalat, Hühnersalat, Fleischsalat und weitere ein. Der (Kopf)Salat als Polysem, eingebrannt seit der Kindheit, schlägt den Begriff des Salats als Gericht. Die Bedeutung des Wortes Salat deutet auf mit Salz haltbar gemachte Gerichte und nun kann man fragen ob der Matjes oder das Pökelfleisch auch ein Salat sind. Aber das ist hier nicht das Thema.

Zum dritten Mal genießen die Holde und ich Ralf Haugs Küche, dreimal am Hochzeitstag und zum dritten Mal schreibe ich darüber am 22 Dezember eines Jahre nach 2012 und 2013. (Alle guten Dinge sind drei). Wir werden in einen kleinen separaten Raum, zwei, drei Stufen tiefer vom Gastraum geführt. Der Raum beinhaltet zwei Tische für jeweils zwei Personen und an der Stirn- und einer Längsseite lagern die Rotweinflaschen des Hauses. Sehr angenehmes Ambiente. Ich sitze der Holden gegenüber und schaue durch ein Fenster in der anderen Längsseite in den Weißweinkühlraum, der wiedreum ein Fenster zum Hotel „Vier Jahreszeiten“ hat, sodaß Hotelgäste einen Blick in den Kühlraum werfen können. Ich verzichte auf Photos der einzelnen Gänge, dies einerseits aus Respekt vor der Kunst des Teams und andererseits weil ich mich ganz auf den Geschmack von Speise und Getränk sowie das Gespräch mit der Holden konzentrieren will. Ein vegetarisches/veganes und ein Menue müt Fleisch/Fisch werden offeriert. Ich nehme folgendes (o.k. das Photo der Karte sei erlaubt):

Fünf-Gang-Menü
Fünf-Gang-Menü

Dazu bestelle ich eine Weinbegleitung mit dem ausdrücklichen Wunsch auf Rotwein zu verzichten.

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Über Inselbiere

Rügen hat also eine Insel Brauerei! Überrascht stehe ich im Getränkeland Binz und nehme die Flaschen verschiedener Sorten in die Hand. Die einzelnen Sorten haben eher lustige maritime Benamungen wie Seepferd, Insel Kap oder Baltic Dubble. Ich packe mir sechs verschiedene Flaschen ein und freue mich auf die Verkostung im Hotel.

Die Brauer machen die Verkostung für den geneigten Interessenten sehr einfach. Auf dem Papier, das die Flaschen umwickelt, werden umfangreiche Informationen, wie Bierstil, internationale Bierkategorie, Geschmack, Zutaten, Trinktemperarur, Trinkanlaß u.v.m. gegeben. In Verbindung mit den „Produktinformationen“ auf der Webseite der Brauerei geht sie einen hevorragenden Weg der Transparenz. Der geneigte Interessent ist also ohne großen Aufwand in der Lage die einzelnen Biere in eine sinnvolle Verkostungsreihenfolge zu bringen und zu genießen.

Elf der zwölf Sorten habe ich probiert, meine Bewertungen sind auf untappd zu lesen, zwei Biere unterschiedlicher Kategorien seien herausgehoben, einerseits das Insel Kap, ein Oatmeal Stout und andereseits das Meerjungfrau, ein Sour Ale. Beide Biere sind wunderbar zu trinken.

Auswahl Rügener Insel Brauerei
Auswahl Rügener Insel Brauerei

Zwölf Sorten sind, wie bereits bemerkt, im Verkauf, die Brauerei wird es sich nicht nehmen lassen zu variieren, neue Sorten zu kreieren und bereit zustellen. Zu meinem nächsten Besuch in Binz freue ich mich auf die Biere der Rügener Insel Brauerei bereits im Voraus.

Urlaubslektüre

Entgegen meiner sonstigen Gewohnheit passe ich diesmal die Urlaubslektüre Ort und Zeit an. In der kalten Jahreszeit ist an der Ostsee ein kontemplatives Liegen am Strand in der Sonne samt Lauschen der Wellen und ihrer meditativen Wirkung eher unangemessen. Gehen am Strand und auf der Promenade sowie durch die Wälder des Naturschutzgebiet Granitz sind das Gebot der Stunde. Begleitend dazu ist David Le Bretons Essay „Lob des Gehens“ im Gepäck. Ich darf nicht vergessen zu recherchieren ob ein Essay über den Mittagsschlaf publiziert ist, denn der Mittagsschlaf ist ein Zustand in den ich im Urlaub ohne willentliche Anstrengung falle. Das will ich verstehen.

Ein weiteres Buch mit vielen Essays zu den kleinen Dingen des Lebens, die aber einiges über die Gesellschaft als Ganzes sagen, reist ebenfalls mit. Tilman Allerts Sammlung „Latte Macchiato“ liest sich vergnüglich und führt immer wieder zu Aha-Erlebnisse. Titel wie „Die Zukunft des Grandhotels“, „Vom gemeinsamen Mahl zur Tischflucht des modernen Menschen“ oder „Weihnachten feiern. Eine Typologie der Ritualität“ sprechen für sich selbst. Sie sind ein Lesevergnügen während eines Hotelaufenthalts mit gutem Essen kurz vor Weihnachten.

Eine kleine Labskausforschung

In meinem Bekannten- und Verwandtenkreis führt er eher ein Schattendasein, der Labskaus. Vom Geschmack her zu Unrecht, wie ich finde, möglicherweise ist ja sein Aussehen ein mitentscheidender Moment, denn der Spruch „das Auge ißt mit“ ist ja nicht ohne Sinn. Drei Varianten möchte ich kurz vorstellen.

Den Labskaus in der Dose habe ich von freundlichen Menschen aus Hamburg geschenkt bekommen. Die Zubereitungshinweise sagen, daß der Inhalt der geöffneten 400gr Dose langsam in einem Wasserbad erhitzt werden soll. Ich halte mich nicht daran sondern gebe den Inhalt so in eine Topf und erhitze den Labskaus auf kleiner Flamme. Das vorsichtige Probieren des kalten Labskaus macht mich eher pessimistisch was das Ergebnis werden wird, so stelle ich mir den Geschmack von Katzenfutter mit Corned Beef vor. Einfach fürchterlich! Dafür schmeckt der erhitzte Labskaus gar nicht so schlecht, um es mit dem geflügelten Wort Alfred Bioleks, auszudrücken wenn er Mittelmaß meint – interessant. Dazu serviere ich mir zwei Spiegeleier, eine geschnittene Gewürzgurke vom Discounter des Vertrauens und zwei Rollmöpse aus der Fischabteilung des KaDeWes. Das Ergebnis ist auf dem folgenden Bild zu sehen:

Labskaus aus der Dose
Labskaus aus der Dose

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Entenbrühe in der Muschel

Heute vor einem Jahr hatte ich über Ralf Haugs damalige Küche im Restaurant niXe berichtet. Am vergangenen Mittwoch haben wir Ralfs Küche in seinem neuen Restaurant, dem freustil probieren können.

Begrüßt werden die Holde und ich von Michael, dem „Fels in der Brandung“ laut Teamseite, und schon in der niXe mit dabei. Er begleitet uns zu einem ruhigen Zweiertisch am Fenster. Die Einrichtung des Restaurant ist eigenwillig, insbesondere die Tapete mit dem Blümchenmuster fällt uns sofort ins Auge. Während die Holde meint, diese Tapete schon einmal in der physischen Welt gesehen zu haben verbinde ich damit eher den Stil in englischen Landhäusern aus der Miss-Marple-Fernsehserie der BBC mit Joan Hickson. Die Sitzmöbel erinnern mich an den Stil der sechziger Jahre und sind von Rolf Benz, also gehobene Kategorie. Das Besteck ist von Auerhahn. Die Küche bietet aktuell ein Drei-Gang-Adventsmenü als auch ein Überraschungsmenü bis zu sieben Gängen an oder die Menüs der Karte. Da wir etwas unschlüssig sind, lassen wir uns die Karte kommen und studieren sie während wir unseren Aperitif nehmen, die Holde genießt ein Wasser und ich ein Störtebeker naturtrüb.

Speisenkarte
Speisenkarte

Die Holde enscheidet sich für das Adventsmenü und ich bestelle das Fünf-Gang-Menü von der Karte samt Weinbegleitung:

Erster Gang: Armer Ritter – Lackierter Schweinebauch, Eigelb 62°, Braune Butter, Toast
Zweiter Gang: Rochen – Krosser Rochen, Büffelmozzarella, Avocado, Grapefruit
Dritter Gang: Jakob – St. Jakobsmuschel, Spitzkohl, Entenbrühe
Vierter Gang: Bavette – Bavettesteak, Kartoffelacker, Heumöhren
Fünfter Gang: Smokolat – Schokolade, Pflaume, geräuchertes Vanillieeis

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